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die bibel schrieb am 17.6. 2001 um 01:51:44 Uhr über

fussnote

"Man ist sich im allgemeinen gar nicht klar, wie häufig selbst in den berühmtesten Werken der Literatur Widersprüche auftreten. Die These, eine Dichtung müsse von Widersprüchen frei sein, wenn sie literarischen Rang beanspruche, ist angesichts der Tatsachen absurd.

Am offensichtlichsten ist dies bei den vier Evangelien. So unglaublich es klingt, so ist doch erwiesen, daß bei weitem die meisten Leser, heute wie früher, die zahllosen Widersprüche zwischen den vier Evangelien sowie die Widersprüche innerhalb der einzelnen Evangelien ... gar nicht bemerken." (S. 414)

»Nirgendwo sonst haben Widersprüche soviel Aufregung verursacht und eine so zahlreiche Sekundärliteratur ins Leben gerufen wie bei den verschiedenen heiligen Schriften. Hier war es den Interpreten während der letzten hundert Jahre nicht genug, sich nur mit offensichtlichen Widersprüchen abzugeben: Sie haben geradezu nach Unstimmigkeiten gesucht - und nicht selten gefunden. Eins der Axiome der sogenanten 'höheren Bibelkritik' ... lautet so: Wenn zwei Aussagen irgendwie nicht zusammenstimmen, müssen sie von verschiedenen Autoren stammen. Die Absurdität dieses Grundsatzes bemäntelt man mit dem schönen Namen 'Quellenscheidung`. Man vergegenwärtige sich, wie ein solcher 'höherer Kritiker` Goethes `Faust` zergliedern würde, der von einem einzigen Menschen im Lauf von sechzig Jahren geschrieben wurde. Die Szenen, in denen die Heldin des ersten Teil`s `Gretchen` genannt ist, würden einem ersten Autor zugeschrieben, und diejenigen, in denen sie `Margarete` heißt, einem zweiten; die widersprüchlichen Auffassungen von der Rolle, die Mephisto spielt, würden eine weitere Aufteilungveranlassen, und der 'Prolog im Himmel` würde auf einen späteren Bearbeiter zurückgeführt, während man hinter dem 'Vorspiel auf dem Theater' abermals einen anderen Autor erblicken würde. Unser Kritiker würde nicht im geringsten daran zweifeln, daß der zweite Teil aus einer anderen Zeit stamme und einer Vielzahl von Autoren mit sehr verschiedenen Anschauungen zugehöre. Das Ende des vierten Aktes zum Beispiel deutet auf einen Katholikenfeind hin, der über die Kirche spottet, während das Ende des fünften Aktes, würde es heißen, von einem Mann geshrieben wurde, der dem Katholizismus wohlwollend gegenüberstand, wenn er auch wahrscheinlich kein rechtgläubiger Katholik war.« (s. 418f.)

»Diesen Anschauungen nach müßte aber der Redaktor ein Trottel gewesen sein, wenn er am Ende einen Text lieferte, der so voller Widersprüche steckt, wie die höheren Kritiker meinen.« (S. 424)




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