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»Johnny« habe ich eine Figur aus meinem neuesten »Längeren Gedankenspiel« (Arno Schmidt) getauft - eine meiner schizoiden Phantasien, mit denen ich »die Wirklichkeit korrigiere« (Sigmund Freud). Johnny ist 1963 oder 1964 geboren, war also 1982 18 oder 19 Jahre alt, als ich ihm begegnete. Johnny ist mittelgroß, für einen Mann eher klein, schlank und sehr schmal. Dabei ist er durchaus nicht rappeldürr, sondern hat im Gegenteil etwas gut verteiltes Fleisch auf den Knochen, verfügt auch über einige Ansätze zu Muckis, und strohblonde, halblange Haare, die ihm etwa bis zu den Schulterblättern reichen. Diese blonden Schnittlauchlocken sind in der Mitte gescheitelt, seine tiefliegenden Augen sind sehr dunkel, was seinem Antlitz etwas Melancholisches, mitunter sogar Düsteres verleiht. Obschon Johnny eigentlich garnicht melancholisch ist, sondern eher ein fröhlicher Plegmatiker. Vor allem seine Beine und sein Unterleib sind recht stark behaart, und eine charmante Spur schwarzer Haare zieht sich von der Schwanzregion bis zum Bauchnabel hoch. An Hand- und Fußgelenken trägt er schmale Bänder aus Leder und Textilien, bei Gelegenheit auch kleine Anhänger aus Holz und Stein an dünnen Lederriemchen um den Hals. Sein Po - jeder andere Ausdruck dafür wäre unpassend - ist sehr ausgeprägt, ein echter Hingucker. Und Johnny ist so erzfaul wie sexuell. Er hat sich für irgendwas mit Sozi- immatrikuliert, aber geht nicht hin. Er braucht jetzt Zeit zur Selbstfindung, erklärt er. Alle paar Wochen gibt es einen neuen Studiengang, zu dem er zu wechseln überlegt oder gar eine ausserakademische Berufsausbildung. Krankenpfleger, MTA, Landschaftsgärtner - aber solche Berufsziele scheitern bei Johnny schon daran, daß sie mit frühem Aufstehen, immens langen und regelmässigen Arbeitszeiten und überhaupt: Arbeit verbunden sind. Arbeit kann Johnny nämlich auf den Tod nicht ab. Er findet, Arbeit macht hässlich. »Guck Dir doch die ganzen Malocher an!« sagt er, und dreht sich eine neue Zigarette mit oder ohne Cannabis.
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