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tootsie, am 2.5. 2015 um 22:25:33 Uhr
Legida

Ich gebe zu, ich war neugierig:

Es ist nicht ganz einfach, zur Kundgebung zu gelangen. Die Zugänge zum Sportforum sind blockiert von Menschen, die mir Angst einjagen. Lautsprecherwagen tragen hysterische Frauengeräusche in die kalte Luft. Aggressive Leute, alle schwarz. »Rescue teams are welcome here«. Liegt es an meinem Hörgerät? Prügeleien.

Da ist eine Polizeiabsperrung. Wachsame Leute, einzeln oder in Gruppen, sie gehen dorthin, werden durchgelassen. Ein freundlicher Beamter will in meinen Rucksack gucken. Ein Apfel, ein Brillenetui. Ich bin aufgeregt und mache was Verbotenes. Ich gehe zu einer Kundgebung, die alle BÖSE finden.

Ein paar Rentner, ein Rollifahrer. Mehr Männer als Frauen. Handwerker in Arbeitskleidung. Die Stimmung ist verkrampft heiter. Draußen schreien die Kapuzenpullis. Ein Heer von Orks, ihre Wellen brechen an der Polizei. Ich merke, das ist ernst. Ich kann hier auch nicht weg.

Ode an die Freude. Lehrerkinder nennen uns Nazis. »Schließt euch an!«, Flaschen fliegen und Böller.

Überraschung! Die Faschisten sind auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung.

Nach der Kundgebung versuchen die Menschen, sich zu zerstreuen. Das geht nicht, weil die Abgänge blockiert sind. Eskortiert von der Polizei geht es zum Bahnhof. Truppen von Orks wagen Ausfälle. Es gibt Scharmützel, ich mittendrin. Eine höhere Tochter bespuckt den Handwerker neben mir. Ein Speichelfaden, ein winziger, erstaunlich kalter Tropfen streift mich an der Wange. »Geh orbeiten, dreggsche Schlambe!« Da verstehe ich es endlich: Klassismus, nicht Rassismus ist das Problem.

Deshalb gibt es auch keine Solidaritätskonzerte für Leiharbeiter, Paketboten und Minijobber. Diese Linken sind nicht links, sie nennen sich nur so. Nach der Uni schrauben sie die Piercings raus und steigen in Vatis Kanzlei ein. Wenn Lehrerkinder die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertreten wollen, wird es zwangsläufig bizarr.

Wie ich heim gekommen bin, weiß ich nicht mehr so genau. Ich war zu sehr mit meinem neuen Weltbild beschäftigt.


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