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Roy schrieb am 14.1. 2008 um 02:37:56 Uhr über

genial

Dieser Begriff hat zwei unterschiedliche Wurzeln: Im englischen Sprachraum stammt er vom lateinischen „genius“, was Schutzgeister beschrieb oder Geistesgestalten, die einen Menschen oder eine Menschengruppe symbolisierten. In Deutschland und Frankreich wiederum kann er auf „ingenium“ (natürliches, angeborenes Talent) zurückgeführt werden. In der Renaissance begann man, mit dem WortGeniekünstlerische Schaffenskraft oder die Quelle der Inspiration zu beschreiben. Nach der französischen Querelle des Anciens et des Modernes breitete der Begriff sich dann schlagartig aus und dominierte die ästhetischen Debatten: DasGeniestand nun für den aus sich selbst heraus schaffenden Künstler, der die Natur nicht nur nachahmt (wie es das frühere ästhetische Modell vorsah), sondern vollendet, was die Natur selbst noch nicht vollenden konnte.

Das diesem Modell zugrunde liegende Naturverständnis lässt sich im wesentlichen schon auf Aristoteles zurückführen. Entscheidend ergänzt wurde es noch durch Gottfried Wilhelm Leibniz und seine Lehre von denmöglichen Welten“. Das Genie schafft mögliche Welten, es wird zum Schöpfer und damit quasi zum Gott („poeta alter deus- der Dichter als zweiter Gott).

In England wurden die theoretischen Grundlagen des Geniekults vor allem von Shaftesbury gelegt. Dadurch wurde wiederum Immanuel Kant inspiriert, der den kontinentaleuropäischen und den englischen Genie-Begriff zu einer Synthese vereinigte. In seinem WerkKritik der Urteilskraftbezeichnet er das Genie als die Instanz, durch die die Natur der Kunst die Regel vorschreibe – auf diese Weise löst Kant den alten Streit der Querelle des Anciens et des Modernes über Kunst und Natur. Für Kant bezieht sich somit der Genie-Begriff nur auf Künstler, es lässt sich nicht etwa von einemgenialen Wissenschaftlerreden.

Der Genie-Begriff Kants hatte großen Einfluss auf die Künstler der Weimarer Klassik und Romantik. Jean Paul stellte die Frage in den Vordergrund, wie die konkreten Bedingungen für die Schaffung eines genialen Kunstwerkes aussehen. Bei Johann Wolfgang von Goethe ist zwischen seinem frühen Geniebegriff, der in dem vom Sturm und Drang geprägten GedichtPrometheuszum Ausdruck kommt, und seinem späten, humanistisch-abgeklärten Geniebegriff imFaust IIzu unterscheiden. Wilhelm von Humboldt erweiterte den Geniebegriff zu einem allgemeinen Bildungsideal – in der Folge wurden nicht nur Künstler, sondern auch Wissenschaftler als Genies bezeichnet. Friedrich Wilhelm Schelling betrachtete das Genie als ein Stück von der Absolutheit Gottes. Für die Romantiker Friedrich Schlegel und Novalis war das Genie dernatürliche Zustand des Menschen“ – es gelte nur, diesen Zustand zu bewahren oder zurückzugewinnen.

Im 19. Jahrhundert klang der Geniekult allmählich ab und der Begriff verschwand aus der Ästhetik, in der stattdessen künstlerisches Handwerk, soziale Faktoren etc. in den Vordergrund rückten. In wissenschaftlichen Diskursen spielt der BegriffGenieheute keine Rolle mehr. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist er hingegen weit verbreitet.


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