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christine schrieb am 15.1. 2020 um 22:40:21 Uhr über

Frauentag

Vater schlief auch im Winter bei offenem Fenster. Mit meiner Mütze auf dem Kopf rief er mich an. Er hat die minus 20 Grad nicht gespürt, schien es. Denn er war in Gedanken, grad wie im eigenen Hinübergleiten. Mutter war bei ihrer Mutter. Ich soll rüberkommen. Da er sowas sonst nie verlangte, sputete ich mich. Er lag noch im Bett, das Telefon in der Hand, die Mütze auf dem Kopf, das Fenster offen und der grüne Spannteppich überzogen von einem schwarzen Eisfilm. Die Kälte hatte den gußeisernen Heizkörper gesprengt. Ich hab selten Struktur, aber gelegentlich Panik, besonders wenn Vater zu philosophieren beginnt, statt für sich zu sorgen. So kannte ich ihn bisher nicht. Die Beiden - Oma und er - hatten ein ziemlich mieses Verhältnis. Deshalb war Oma nicht bereit zu den Eltern zu ziehen. Vater ist impulsiv und akzeptiert auch Fehlversuche als Weg zur Lösung. Oma holte aber immer erst rundum Wünsche und Meinungen ein, bevor sie etwas in Angriff nahm. Am gemeinsten war aber ihre Angewohnheit mit Nylonschürze anzureisen, ohne Guten Tag zu sagen in die Küche zu gehen und dann rumzumotzen, dass schon abgewaschen sei und warum sie dann überhaupt kommen sollte. Dazu legte sie sieben Stunden Fahrtzeit zurück, nur für diesen albernen Auftritt. Vater beeindruckte das mehr als er zugab. Fehlte nur, dass sie irgendeinen chinesischen Prof zitiert hätte, bei dem Mutter inzwischen durchgestartet wäre, wenn sie ihn nicht geheiratet hätte. Insofern wundert es mich nicht, dass Mutters Hochzeitstag Omas Todestag wurde, der Frauentag eben. Alkoholikerfrauen sind Frauen, deren Männer Alkohol brauchten. Opa kannte ich nur besoffen. Tja, die Chinesen irgendwo da ganz weit draußen. Sie hieß Ida. Alma hatte wohl grad eine Idee. Jemanden anzusprechen, der Mutter auch nur im Entferntesten an Opa erinnerte, war lange Zeit ein NoGo. Ich hatte ihn nur als Vierjährige kennengelernt. Seine Wut war einprägsam, wie eine Urgewalt explodierte der. Da schien jahrzehntelang aufgestaute Wut ihren Weg zu suchen. Ich hab ihn nicht als wirklich bedrohlich erlebt. Ich war nur enttäuscht, weil ich grad an die Wand gemalt hatte. Es war mein erstes Wandbild überhaupt. Es gefiel ihm nicht. Dabei war es das einzige Bild, das ich dort gemalt hatte. Der hatte sonst nichts von mir. Die Tapete sei neu, hat er geschrien, der Fremde. Beim Kramen in alten Fotos beginne ich allmählich zu ahnen warum er so wütend war. Aber ohne fragen zu können bleibt das alles Spinnerei.


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