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Christine schrieb am 26.9. 2016 um 20:45:17 Uhr über

Moment

Gänsehaut-Garantie in der Semperoper.

Oper Salome. Richard Strauss

Diese Spielzeit eröffnet mit der achten Neuinszenierung vonSalome“. Das Ursprungsstück stammt von Oscar Wilde, der es 1891 für Sarah Bernardt schrieb. Er beschrieb sie anfangs als Kindfrau auf der Suche nach Liebe, verzerrte die Figur aber alsbald zur männermordenden Verführerineine Sicht, die wiederholt mit Zensur und Verbot belegt wurde. Er erzeugte das lieblos lüsterne Bild einer Familie ohne Geborgenheit und Wärme, in der Stiefvater König Herodes und Mutter Herodias vollkommen versagten.

Strauss sah Wildes Horrorvision bei Max Reinhardt in Berlin, vertonte sie und brachte die Oper mit Ernst Schuch 1905 im Königlichen Hoftheater, der heutigen Semperoper, zur Uraufführung. Es wurde Skandal und Erfolg. 106 Musiker der Königlichen Hofkapelle, jetzt Staatskapelle Dresden, stellte Schuch bereit, darunter bis zu zehn Schlagwerker. Viele der Musiker sind so auch heute noch gezwungen Ohrenstöpsel zu tragen. Die Uraufführung dominierte Marie Wittich. Die bodenständige Dame lehnte es im Gegensatz zu Christel Goltz und Lise Karlsson ab den Tanz der sieben Schleier zu tanzen. Christel Goltz hingegen wusste Mary Wigman hinter sich.

Ausgangspunkt für Wildes Fantasie ist die Passage aus dem Markusevangelium, in der Herodes Johannes den Täufer ergreifen und enthaupten lässt, nachdem der aus der Zelle heraus mehrfach Salomes Mutter verflucht und bedroht hatte. Da Herodes seine Stieftochter vergötterte, war er bereit für einen Tanz von ihr alles zu geben, worauf ihre Mutter den Kopf des gallig Fluchenden rollen sehen wollte, was Salome verstand. Also wünschte sich Salome dessen Schädel.

Oscar Wilde wiederum verklärte das erbarmungslose Geschehen einer Nacht zum sinnlichen Gemetzel, bei dem aus dem traumatisierten Kind jäh eine verletzt rachsüchtige Frau wurde, die in ihrer sich nach Liebe verzehrenden Kompromisslosigkeit die in Deutschland herrschende Ex-&-Hopp-Vorkriegsstimmung ahnen lässt, der sie auf der Bühne erlag: „Man töte dieses Weib“, beendet ihr Stiefvater die Angelegenheit, quittiert vom dresden-typisch tosenden Beifall.

Eindrucksvoll auch die grotesk wirre Debatte vordem darüber, wie groß die Lobby des Querulanten sei. In der formiert sich eine Hackordnung unter den anwesenden Männern, der sich offensichtlich auch der in den Königsstand eingeheiratete Herodes nicht durch Tanz entziehen kann. So wundert es nicht, dass weder die von ihm vorab zur Witwe gemachte Herodia noch die von ihr mit HerodesBruder gezeugte Tochter Salome ihre Interessen durch ihn vertreten sahen und von ihm bedrängt Blut fließen sehen wollten und zwar das Blut dessen, den er am meisten fürchtete.

Furcht, Zorn und Hass dominieren das Stück, das sich größtenteils im rosig ausgekleideten Kinderzimmer der Schönen abspielt. Wäre es die Uraufführung, ließe es sich mit Schuchern abtun. Aber wir leben nicht im Jahr 1905.


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