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Peter K. schrieb am 31.10. 2007 um 12:14:32 Uhr über

Behindert

Ein Kollege und ich beraten einen Klienten bei der Umorganisation seines mittelständischen Unternehmens. Unter anderem suchten wir für ihn eine neue Chefsekretärin. Gestern war der letzte Tag des »Vorsingens«, der Vorstellungsgespräche - und wir haben eine gefunden. Eine junge Frau, Anfang dreissig, recht hüpsch (jaja, frauenfeindlich ich weiss ...) - aber zu 50% schwerbehindert - schwerhörig. Es stand schon in der Bewerbung, und ich erachtete es schon als einen Fehler, sie überhaupt eingeladen zu haben. Objektive, »diskriminierungsfreie« Gründe gab es genug, sie hatte beispielsweise weder einschlägige Ausbildung, noch hinreichende Berufserfahrung. Aber sie war nun mal eingeladen, und gemäß unserer »Geschäftsverteilung« war ich mit der Gesprächsführung an der Reihe - ausgerechnet ich. Ich wollte es nur hinter mich bringen in einer Weise, daß wir unserem Klienten keine Antidiskriminierungsklage einfangen.

Kaum saß sie, da forderte mich diese zierliche Frau, die nur mit deutlichem Sprachfehler sprechen kann, ruhig und selbstbewußt auf, meine Hände bitte vom Mund wegzuhalten, weil sie aufgrund ihrer Schwerhörigkeit die Sprache teilweise von den Lippen lesen muß. Sie konnte - obschon berufsfremd - als einzige auf Nachfrage punktgenau angeben, wieviele Beschäftigte unser Klient hat - sie hatte sich präzise informiert. Als einzige konnte sie - und das in einem einzigen Satz - beschreiben, was die eigentliche Aufgabe einer Chefsekretärin ist, nämlich das Kommunikationsmanagement für die Unternehmensleitung. Alle anderen fasselten nur über das Vordergründige: Dikate tippen, Termine machen, Kaffee kochen.
Die Verve, die Entschlossenheit und das Selbstbewußtsein dieser Frau haben mich tief beschämt und uns alle ebensotief beeindruckt, und unsere Diskussion hinterher war sehr kurz: unser die neue Kommunikationszentrale unseres Mittelständlers ist fast taub und hat einen deutlichen Sprachfehler. Wir nehmen das absolute Kündigungsverbot, das für Schwerbehinderte den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt normalerweise völlig versperrt, in diesem Falle in Kauf. Natürlich kümmern wir uns auch um Fördermittel, wir wären ja schön blöd, wenn nicht - aber diese Frau wird alles an technisch Möglichem und wirtschaftlich halbwegs Vertretbaren bekommen, was ihr das Arbeiten mit ihrer Behinderung erleichtern kann.


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