Nun ist es mir schon zum zweiten Mal passiert: zuerst vor ca. 5-6 Jahren, als ich „Pascals Wette“ für mich selbst zusammenphilosophierte, und erst nach ca. 1 Jahr durch zwei schwule Philosophiestudenten in einem Sexforum darauf aufmerksam gemacht wurde, daß da jemand schneller war. Und nun, als sich der Gedanke von der Schuld als Konstituante jedweder menschlichen Gesellschaft in meinem Kopf zu formieren beginnt, lese ich in den Büchern von Freud genau ebendies, nur natürlich trefflich formuliert und zuende gedacht, wie es sich gehört. Zuerst habe ich mich jedesmal geärgert, das mir jemand zuvorgekommen ist – dann war ich stolz darauf, zumindest bruchstückweise genauso schlau gewesen zu sein, wie jene großen Geister, und inzwischen frage ich mich, ob dies nicht unter Umständen ein Ergebnis des Bildungsprozesses sein könnte. Könnte es vielleicht so sein, daß sich, wenn man einen gewissen Grad an Bildung überschreitet, einige der Bildungslücken quasi von selbst zu schließen beginnen? Weil man die Begriffe, Kathegorien, Denkstrukturen, Topoi usw. auch derjenigen Systeme, die man (noch) nicht kennt, schon zu einem erheblichen Teil anderweitig kennengelernt hat ? Wenn das so ist, dann wäre es ganz grundsätzlich doch möglich, alles zu wissen, wenn man nochmal so Stücker 30 Jahre lang liest und nachdenkt. Nur befürchte ich, ohne hierfür einen guten Grund angeben zu können, das man genau in dem Moment, in welchem man sich seiner langersehnten und endlich erreichten Allwissenheit bewußt wird - stirbt.
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