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                      Lex Bertelsmann in der Zielgeraden
 
                      Peter Mühlbauer   09.04.2003 
 
                      Der Bundestag verabschiedet am Freitag ein neues Urheberrecht. Die Novelle ist
                      ein Propagandaerfolg, nach dem sich die PR-Agenten der Golfkriegsparteien
                      die Finger lecken würden 
 
                      Ein Eroberungsfeldzug (vgl.  Content is King! oder die Diktatur des Kleingedruckten)
                      wurde von der Medienindustrie erfolgreich als Abwehrschlacht verkauft, eine
                      unbegrenzte Ausweitung der Rechte der Medienindustrie über Konsumenten,
                      Bibliotheken und Universitäten als »Schutz vor Piraterie«. 
 
 
                              
 
                                                           
 
 
                      Änderungen gegenüber zuletzt diskutierten Fassungen (vgl.  Parlamentarier feilschen ums
                      Urheberrecht) ergaben sich nur in wenigen Punkten, unter anderem zum § 52a. Für die
                      Forschung dürfen nun »Teile« von Texten im Intranet zur Verfügung gestellt werden, für den
                      Unterricht nur »kleine Teile«. Eine ausdrückliche Zustimmung der Verlage wird nur bei
                      Schulbüchern verlangt. Die Regelung ist bis 31.12.2006 begrenzt, danach sollen die
                      Auswirkungen überprüft und neu evaluiert werden. 
 
                      Die Änderung dieser Vorschrift erfolgte, nachdem in einer bemerkenswert dreisten
                        PR-Kampagne Entstehung und Honorierung wissenschaftlicher Arbeiten fernab jeder
                      Realität dargestellt wurden. Für seriöse Wissenschaftler wird das neue Urheberrecht eher ein
                      Verlust als ein Gewinn, da sie in Zukunft für jeden Blick in einen Aufsatz von den Verlagen
                      zur Kasse gebeten werden können. 
 
                      Weiter verändert wurde der § 95b, der u.a. Behinderten Mittel zur Umgehung von
                      DRM-Technologie zur Verfügung stellen soll. Hier sollen die Verbände "freiwillige
                      Vereinbarungen" mit den Rechteinhabern treffen. Wenn diese keine ausreichenden Mittel zu
                      Verfügung stellen, liegt die Beweislast jetzt bei den Behinderten. Der nicht von der
                      EU-Richtlinie vorgeschriebene und von der SPD »heimlich« eingebrachte Schutz von
                      DIN-Normen (vgl.  Architekten und Ingenieure gegen Urheberrechtsnovelle) wurde dagegen
                      leicht entschärft. 
 
                      Am problematischsten Punkt der Novelle, dem Verbot von »Umgehungstechnologien« (vgl.
                        Weggesperrt in Krypto-Flaschen) hat der Rechtsausschuss auch in seiner heutigen Sitzung
                      nichts mehr geändert. Die restriktive Umsetzung des Artikels 6 der EU-Richtlinie bringt eine
                      massive Einschränkung von Presse- Wissenschafts- Meinungs- und Informationsfreiheit mit
                      sich. In den USA verhinderte ein ähnlich rigoroses Verbot bereits die Publikation
                      wissenschaftlicher Studien zu Verschlüsselungssystemen. 
 
                      Die Regelungen der §§ 53 und 54 (Pauschalabgaben vs. Individualvergütung) werden nicht am
                      Freitag entschieden, sondern sind auf den Herbst vertagt. Für den Verbraucher - der von den
                      am Freitag zu beschließenden Regelungen erhebliche Auswirkungen zu befürchten hat - ändert
                      das dann zur Entscheidung anstehende  Scheingefecht zwischen Verwertungsgesellschaften
                      und IT-Industrie kaum mehr etwas: PCs und Peripheriegeräte wurden bereits vor Einführung
                      der Pauschalabgabe teurer, weil viele Hersteller und Importeure, wie von den
                      Verwertungsgesellschaften gefordert, Rückstellungen bilden und diese verdeckt auf die Preise
                      aufschlugen. 
 
                      Die Entscheidung zwischen GEMA und DRM, die im Herbst fallen soll, erscheint vielen
                      Konsumenten wie eine Systemkonkurrenz zwischen Nordkorea (ineffizienter Totalitarismus,
                      der nur eine bürokratische Elite begünstigt) und Somalia (absolute Macht in den Händen einer
                      Oligarchie ohne Grundrechte für die Bevölkerung). Andere Vorschläge, wie eine
                      Pauschalabgabe, mit der eine Kranken- oder Altersversicherung für alle Künstler und
                      Programmierer finanziert wird, und die nicht (wie bei der GEMA) vorwiegend der
                      Medienindustrie zufließt (vgl.  Lex Bertelsmann, Teil 2) wurden bisher weder von der
                      Regierung noch von der Opposition berücksichtigt. Eine Änderung in diesem Bereich ist nicht
                      zu erwarten, solange Reinhold Kreile Chef der GEMA ist (vgl.  Urheberrechtsausgleich oder
                      Subventionssteuer?). Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und Anwalt von
                      Franz-Josef Strauß verfügt über ein persönliches Netzwerk, das ihn gegen Reformvorhaben
                      immun macht. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   Kommentare:
   falscher Ansatz (W2, 9.4.2003 21:47)
   leider(?) nein (crs, 9.4.2003 21:13)
   Gedankenspiel - Microsoft verklagen (Skybird, 9.4.2003 19:35)
   mehr... 
    
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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