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Edzard H. schrieb am 31.7. 2006 um 16:07:39 Uhr über

Weihe

Es kam aber der Tag, an dem der große Edzard eine Leere, einen schier bodenlosen Abgrund in sich spürte. Was war äußerer Erfolg, was war ihm sein neues großes Haus, daß er an der Fischerstraße bezogen, die güldnen Treppenläufe, die Putti und Wasserspeier, all die Gemälde, die unermeßlich wertvollen Vasen, das Musikzimmer, die Ehefrau, die Kinder und die Enkel in ihren vergoldeten Matrosenanzügen, die treue Dienerschaft, all das Ansehen, daß ihm von den Bürgern wie sogar von den Gestrauchelten in Stadt und Umland zuteil ward, was war dies alles als oberflächlicher Glanz? »Eben nichts!«, dachte Ezard schwer, während er halb aufrecht auf seiner ihm von Napoleon dem Dritten auf nicht restlos legalem Wege überkommenen Chaiselongue lag.
Er klingelte nach seinem Diener.
»Baptist, so kommen Sie, ich muß mein Herz ausschütten
»Sogleich, sogleich, Herr Edzard
»Baptist, setz' dich hier nieder auf diesem kleinen Schemelchen... So, Baptist. Ich muß dir mein Leid klagen. Ich lebe ein hundeerbärmliches Leben...«
»Aber Herr Edzard! Sagen sie so etwas doch nicht, sehen sie doch nur, das schöne Haus, all ihr Geld...«
»Still, Baptist! Was redest du da, du Philister! Meinst du, darum wäre es mir? Um all diesen Tand? Nein, Baptist, nein. Baptist, du bist ein herzensguter, ein treuer Mensch, aber du bist ein wenig Unverständig. All mein Reichtum, all die Bewunderung, sie sind gerade der Urgrund vielen Übels, das mich so anficht in letzter Zeit! Sieh mich nur an, ich bin ein vulgärer Mensch. Wenn ich einst sterbe, wenn ich einst tot bin, und sich mein Erbe in alle Himmelsrichtungen zerstreut, was wird dann von meinem Glanz überdauern? Eben, nichts. Man wird sich meiner kaum erinnern. Hie und da natürlich prangt in der Stadt eine Plakette, daß ich dies oder jenes gestiftet, vielleicht wird man eine Straße nach mir benennen. Allein sei's drum, das ist nicht was mir vorschwebt. Ich giere nach höheren Weihen Baptist!«
Baptist machte, ganz nach seiner Art, seiner Ratlosigkeit ob dieses unvermittelten Ausbruches von Weltschmerz mit einer lächerlichen Grimasse Luft.
»Baptist! Es ist ERNST! Ich will in die Welt der Kultur eingehen! ICH WILL DASS GOETHE ÜBER MICH DICHTET! BAPTIST!«
Edzard schüttelte seinen armen Diener am Kragen bei diesen Worten.
»Nun, nun, das verstehe ich...hust... wohl, allein, dieser Goethe scheint seit fast zweihundert Jahren tot zu sein, von einem Toten, bei allem Respekt, Herr Edzard, läßt sich schlecht bedichtet werden...«
"Aaah, mein guter Baptist, nie um ein ehrliches Wort verlegen, was! Das gefällt mir an dir.
Aber, und das hängt natürlich wesentlich zusammen, du bist ein Tor! Jawohl, ein Tor..."
Der alte kniff seine Augen zusammen und rieb seine Hände...
»Wir werden nämlich ins Totenreich hinabsteigen, damit der große Göööthe, damit er auf mich dichten kann
Der gute Baptist trat zwei Schritte zurück...


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