Frühlingsgefühle

den ganzen winter lang
darauf gewartet
dich wieder zu spüren
dein lächeln
deine wärme
deine zaghaftigkeit
liess mich schmelzen
wie die spitze
eines eisbergs
hat es mich erwischt
so sanft kamst du daher
wie habe ich dich vermisst
du erweiterst meinen horizont
sobald du in meiner nähe bist
oder in meinen gedanken
bist balsam für die seele
kitzelst meine nase ganz sanft
und streichelst mein gesicht so zart
wie eine feder kommst du daher
wirkst so stark wie ein orkan
entlockst mir mein schönstes lächeln
begleitest mich und hältst mich fest
dafür danke ich dir.

Was würde ich nur ohne Frühlingsgefühle tun?? Wenn ich nicht wenigstens ein paar Monate im Jahr die Illusion hätte, unwiderstehlich zu sein, das Leben absolut im Griff und meinen Abschluß schon fast in der Tasche zu haben, wenn ich nicht wenigstens ab und zu fühlen könnte,daß die Welt vielleicht doch eine Scheibe und daher eine einzige Tanzfläche ist, - dann wäre ich sicher schon längst Kaninchenfutter!

Frylingsgefyle werden ausgelöst durch die längere Tagesdauer (mehr Licht) und zunehmende Wärme, was beides den Hormonspiegel steigen läßt. Es ist das Gegenteil einer Winterdepression.

Frühlingsgefühle? Ha. Es ist kurz nach elf Uhr abends, die Heizung springt nicht mehr an, mir ist KALT! Von wegen Frühling. Die Illusion einer tagsüber wunderbar anheimelnden Sonne, die einem Frühlingsgefühle vorgaukelt, weil man es wagt, zum ersten Mal wieder die Jacke offen zu tragen. Und dann ziehen die Frauen die Strümpfe aus, und zwei Tage später liegen sie mit Grippe im Bett. Frühling ist noch lange nicht, ihr Verrückten.

Vorrauseilende Frühlingsgefühle

Welch himmlisches Pflänzchen
Solch Blüte zu treiben!
O laß mich doch, liebliche Orchidee,
mit zärtlichem Züngeln
Dich lustvoll bestäuben!
Vertrau mir, mein Blümchen,
Es tut nimmer weh.
Will neckisch dich kitzeln,
Daß wir genießen.
Verzückt bin ich schon, wenn ich seh,
Wie in deinem Kelche
Die Säfte fließen.
O meine süße Orchidee!

Jetzt kann ich auch
Ein bischen sprießen.
O welch Wonne! doch – oje!
Ich fürcht, schon muß
Ich dich begießen.
In jedem Frühling
Schmilzt der Schnee...

(Harburg 1997)