Viertelstundenstar

Es war ein italienisch-amerikanisches Kreuzfahrtschiff, und von einigen wenigen Lässlichkeiten im Bereich des Service abgesehen, hat man das zuvörderst an manchen Facetten des Unterhaltungsprogramms gemerkt. Nein, keine manischen Animateure, wie man sie auch in den schwimmenden Ballermännern der deutschen AIDA-Schiffe finden würde, selbst der von mir latent ersehnte Bingonachmittag fand nicht statt, aber die eines Morgens lancierte Ankündigung, dass in der von uns zumeist frequentierten Bar ein Karaoke-Abend stattfinden sollte, versetzte mich in gelinde Panik, zumal Hazel und die drei anderen Golden Girls der Halifax-NovaScotia-Clique, die uns als Homomaskottchen seit Tagen mit Beschlag belegt hatten, den Vorschlag in den Raum schmissen »let's all join for a 'The Mamas and the Papas'-impersonation«, was mich mit gelindem Grusel erfüllte. Singen in der Öffentlichkeit, das ist eine Gnade, die Berufsmusikern und Betrunkenen vorbehalten bleiben sollte. Aber ich stand so halb im Wort und bin auch nicht gänzlich frei von Extrovertiertheiten, deshalb begann ich ab etwa 17 Uhr, oder 5 pm, wie es schiffsseitig hieß, mit kontrolliertem Trinken und wäre bereits für eine 'California Dreamin'- oder 'Monday, Monday'-Interpretation zu haben gewesen, als sich bei der Ausgabe der Musikliste herausstellte, dass diese freundlich-belanglose kalifornisch-kanadische Gruppe nicht im Liedcomputer vertreten war. Und so kniffen denn Hazel und die anderen Mittsechzigerinnen ohne sichtlichen Schmerz, während mein bereits auf Öffentlichkeit gepeitschter Geist nach einem neuen Betätigungsfeld suchte. Das fand ich dann auch nach kurzem Blättern in Jefferson Airplanes 'White Rabbit', dessen, nach Worten der, hm, Conferieuse 'lugubrious interpretation' offenbar sogar einen prägenden Eindruck hinterließ; wie billig, hatte ich dieses Lied, wenn nicht mit der Muttermilch, so doch zumindestens bereits mit der Schwesterncola aufgesogen. (Über meine wenige Whiskies später erfolgende Darbietung von 'Hello Dolly', die unter Austauschung des Namens durch den meines Ehemanns erfolgte, könnte an anderer Stelle zu reden sein.) Meinen späterhin durch Teile der Schiffsbesatzung verliehenen Ehrennamen 'White Rabbit' habe ich jedenfalls bis zum Auschecken nicht ohne einen gewissen Kifferstolz getragen.