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Jo, am 3.2. 2013 um 14:07:46 Uhr
München

Es war Zufall, blödes Pech,
dass R. zwei 19-Jährigen vor der Disco M-Park in München begegnet war,
zwei Torkelnden, Besoffenen, gegen vier Uhr früh.

Der Türsteher hatte die beiden vorher aus der Disco geworfen,
weil sie Gäste angepöbelt hatten.

»Was guckst du so blöd!«, soll einer von ihnen gerufen haben,
und wenig später eskalierte der Streit derart,
dass Michael R. am Boden lag
und die beiden wild auf seinen Kopf eintraten.

Knochen krachten, Blut spritzte.

Michaels Freundin warf sich auf ihn;
ein paar Sekunden später, und er wäre vermutlich tot gewesen.

Einer der nächsten Tritte, sagte der Rechtsmediziner vor Gericht,
hätte sein Leben kosten können.

Die Polizei verhörte die beiden 19-Jährigen,
nahm sie aber nicht fest.

Michael R. war sowieso nicht ansprechbar,
seine Gesichtsknochen waren zermatscht,
der Oberkiefer vom Kopfskelett getrennt.

Mit 14 Schrauben fügten Ärzte die Titanplatten
unter seiner Haut zusammen,
monatelang konnte er nur flüssige Nahrung zu sich nehmen.

Er wird die Folgen jener Nacht
für immer unter der Haut behalten.

Sein Anwalt sagt,
die Titanplatten werden wohl nie wieder entfernt werden.

Während des Prozesses vor dem Landgericht München I
waren die Angeklagten bester Laune,
vielleicht auch deshalb, weil sie keine Strafen fürchteten.

Während Michael R. im Zeugenstand aussagte,
er könne immer noch kein Fleisch kauen oder Zähne putzen,
zischte ein Freund eines der Angeklagten im Zuschauerraum:

»Soll er halt einen Leberkäs essen

Wenige Monate nach der Schlägerei vor der Disco
prügelten sich die beiden erneut,
weil sie immer noch nicht in Haft saßen.

Am Ende plädierte der Staatsanwalt auf versuchten Mord.

Die Richter schickten die Angeklagten für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Doch nun beginnt der Prozess wegen eines Formfehlers von vorn.

Michael R. ist das Opfer, er hat lebenslang.

Die Schläge vergisst er nie, und zu überlegen ist,
ob seine Erfahrung, Opfer zu sein,
womöglich auch den Tätern dabei hätte helfen können,
etwas von der Angst eines fast zu Tode Geprügelten zu spüren.

Spiegel 18/2011 - Kinder der Finsternis


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