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Die Leiche schrieb am 8.6. 2011 um 21:34:02 Uhr über

Schömberg

Schömberg war halbnackt durch den Regen gegangen. Er tat das öfters - als »Kälteanwendung«. Er spürte, wie schon nach wenigen Augenblicken das Blut durch seine Haut rauschte, sein Atem schnell ging, als ob er joggen würde. Schömberg ging in normalem Tempo, nicht zu gemächlich, nicht zu schnell, und es verblüffte ihn immer wieder, daß er ausser den Schultern kaum richtig nass wurde. So schnell verdampfte seine Haut nun die Tropfen. In den Campingbus stieg er wieder über die Beifahrerseite ein, der schmutzigen Sandalen wegen. Er hing die shorts zum trocknen an einen Haken - und schlüpfte sogleich ins Bett. Schnell breitete sich eine behagliche Wärme aus, ein Zustand wunschloser Glückseeligkeit zuweilen, der eine oder gar zwei Stunden anhalten konnte. Schömberg bewegte sich kaum, hörte seinem flachen Atem zu und dachte an nichts, fühlte nichts ausser dieser fast schon unheimlich angenehmen Wärme unter der Decke. Irgendwann lies dieses Gefühl nach, und Schömberg reckte sich. Er knipste die Diodenlampe an, und griff nach dem Buch. Er las eine Erzählung von einem Mann Mitte fünfzig, der mit Fahrrad und Anhänger durch ein vom III. Weltkrieg entmenschtes Norddeutschland vagabundierte, und sich dabei sichtlich wohl fühlte. Schömberg legte das Buch öfters auf die Bettdecke, stellte sich die naturalistisch beschriebenen Szenen vor, träumte so vor sich hin. Für einen Moment lang war ihm, als hätte auch er eigentlich garnichts dagegen, der einzige Mensch auf der Welt zu sein, wenn alle anderen tot wären. Auch sein Sohn Lars, seine Kollegin Anni-90-D - und seine Exfrau, seine Tochter Angela: um die wäre es sowieso nicht schade. Schömberg sinnierte darüber, wie es kam, daß einem Menschen, mit denen man sein halbes Leben verbracht hatte, auf einmal so furchtbar gleichgültig sein konnten. Er schaltete die Diodenlampe wieder aus, die dem grauen Licht des Regentages eine gewisse Behaglichkeit um das Kopfende des Bettes herum verliehen hatte, und sah in das nieselige Wetter um ihn herum. Die Schwermut hatte Schömberg entgültig erfasst, und er wünschte sich in diesem Moment, er wäre Dichter oder wenigstens Schriftsteller. Gerne würde er jetzt an seinem Laptop sitzen, und sowas schreiben wie »Schwarze Spiegel« von Arno Schmidt.


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