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Charch schrieb am 1.5. 2003 um 22:19:27 Uhr über

Mittelalter

Die städtischen Gesetze sahen für Feld- und Gartendiebstähle sehr harte Strafen vor. Diese Vergehen
zogen schwere Leibesstrafen nach sich. Als besonders verwerflich galt der nächtliche Gartenfrefel:
«thut iemands dem anderen schaden und das geschieht by nacht, das will man für ein diepstal
achten, an lyb und leben mit dem strangen oder usstechung siner ougen one gnad strafen. beschicht
es aber by tag, dan soll der, so also den schaden gethan den banwarten den einig, ouch schaden
abtragen und darzu gedanklich angenommen, in das halsysen gestellt, des lands verwysen, durch die
baggen gebrent oder ime die oren abgeschnitten werden ... » lnwieweit solche rigorosen Massnahmen
in der Praxis durchgesetzt wurden, müsste anhand von Gerichtsakten systematisch überprüft werden.
Gärten und Weingärten in der Stadt und im nahen Umland sicherten die Versorgung des städtischen
Marktes mit frischen, nicht transportfähigen Nahrungsmitteln und mit Wein; sie prägten auch die
«Stadtlandschaft». Die Gartenarbeiter und -arbeiterinnen spielten im sozialen Gefüge der
mittelalterlichen Stadt eine unübersehbare Rolle. Sie waren in der in Basel in der Mitte des 13.
Jahrhunderts entstandenen Zunft zu Gartnern, einer der ältesten Gärtnerzünfte im Reich, organisiert.
Die Weinarbeiterlnnen waren Mitglieder der aus den beiden Teilzünften der Grautücher und Rebleuten
gebildeten Zunft. Als unselbständige Lohnarbeiter arbeiteten sie vorwiegend in fremden Gärten und
Weingärten, im Dienste der landbesitzenden Klöster, des Adels oder von wohlhabenden Bürgern. Ein
wichtiger Arbeitgeber war ferner das Spital, das über ausgedehnten Landbesitz verfügte und seine
Ökonomie auf die Marktproduktion von Getreide, Wein und Gartenprodukten abstützte. Die Gärtner
und Gärtnerinnen ergänzten ihr Einkommen mit Einkünften aus dem Saatguthandel (Gernüsesaatgut
wie Zwiebel-, Rettich- und Rübensamen) und aus dem Verkauf von Produkten aus eigenen,
gepachteten Gartenparzellen.



Obsteinkäufe des Basler Spitals nach den Rechnungen der frühen 1480er Jahre: Feigen,
Meertrauben, Trauben, Mandeln, Kirschen, schwarze Kirschen, Erdbeeren, Äpfel, Birnen,
Regelsbirnen, Schlehen, Nüsse.



Speiseplan des Spitals

Über die lokale Obstproduktion geben Rechnungsbücher mit Einträgen über Nahrungsmittelkäufe und
-verkäufe eine alles andere als erschöpfende Auskunft. Das zeigt die Gegenüberstellung von Listen,
die anhand schriftlicher Zeugnisse erarbeitet sind, mit den paläoethnobotanischen
Untersuchungsergebnissen zu Grabungsfunden: Pflanzenreste, die in Erdproben von Kulturschichten
in Burgen und von Latrinen nachweisbar sind, dokumentieren die Vielfalt der konsumierten Früchte.
Immerhin lässt sich aus Rechnungsbüchern von Klöstern und Spitälern eine Reihe von Früchten
zusammenstellen, die für die Verpflegung der Mitglieder der Kommunitäten auf dem Markt eingekauft
wurden. Die folgenden, summarischen Angaben zum Obstgenuss im 15. Jahrhundert sind aus der
Analyse der Küchenausgaben im städtischen Heilig-Geistspital gewonnen; dieser Archivbestand ist
eine der ergiebigsten Quellen zur Geschichte der Agrarproduktion, der Hortikultur und der Ernährung.
Quantitativ fallen im Küchenbetrieb des Basler Spitals ausser den einheimischen Äpfeln und Birnen
die imponierten Mandeln, getrockneten Feigen und Meertrauben (das sind Rosinen) ins Gewicht, die
man zur Fabrikation von Konfekt und zur Zubereitung von festlichen Fleischspeisen und Saucen
benötigte. Gedörrte Äpfel und Birnen kamen noch bis weit ins Frühjahr hinein auf den Tisch. Kirschen
wurden offenbar ebenfalls gedörrt, und in dieser Form pflegte man sie unter anderm zur Fabrikation
von Osterküchlein zu verwenden. Grundsätzlich riet die mittelalterliche Medizin vom Genuss frischer
Früchte ab und liess allenfalls Kirschen gelten. Doch man verarbeitete auch diese Früchte zu
Kirschenmus, das im Frühsommer mit Getreide- oder Hirsebrei angerichtet eine schmackhafte
Mahlzeit ergab. Auch aus Holunderbeeren konnte man ein vitaminreiches Mus kochen. Regelmässig
kehren in den Küchenrechnungen die Hinweise auf die Zubereitung von Schlehenkompott,
sogenanntem »Gumpost« wieder, wofür man Honig und Gewürze wie Ingwer und NelkenNägel!»)
benötigte. Das Einkochen grosser Mengen von «Gumpost» aus Steinobst muss sehr aufwendig
gewesen sein. Möglicherweise sind die in Latrinen gefundenen Obststeine, wenn sie in grossen
Mengen vorkommen, als Küchenabfall aus solchen Konservierungsprozessen zu betrachten. Diese
knappen Ausführungen haben provisorischen Charakter. Gegenwärtig ist Margrit Irniger damit
beschäftigt, neben dem Studium von Gartenbauliteratur die Rolle der Nahrungspflanzen, die Formen
ihrer Verwertung und des Konsums anhand des Basler Heilig-Geist-Spitals zu untersuchen.

Kulturobst und Sammelfrüchte boten in einer Zeit, in der die Ernährung breiter Bevölkerungsschichten
eintönig war und Brot, Getreidebrei, Erbsmus und Suppen in steter Wiederholung auf den Tisch
kamen, eine willkommene Ergänzung. Analysiert man die Nahrungsmittelausgaben von Klöstern,
Spitälern oder anderen Kommunitäten für die Verpflegung ihrer Arbeitskräfte, so erkennt man, dass im
Gesamtbudget für Lebensmittelkäufe die Ausgaben für Fleisch, Fisch und Milchprodukte bedeutend
stärker ins Gewicht fielen als die vergleichsweise geringen Kosten für Gemüse und Obst.

September 1996




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