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Wettbewerbspolitik eingreifen kann. Allerdings herrschen bis weit in die Reihen liberaler Ökonomen grundsätzliche Zweifel an der Vereinbarkeit der dominanten Ziele von Handels- und Wettbewerbspolitik. Die Weltbank-Mitarbeiter Bernard Hoekman und Peter Hofmes beschreiben diesen Konflikt sehr plastisch: »Versuche, wettbewerbspolitische Themen auf die ffloAgenda zu bringen, sind stark durch klassische Herstellerinteressen in den OECD-Ländern motiviert. Die Regierungen verfc)lgen dabei dastraditionelle Ziel der)Exportförderung(. Wohlfahrt oder Eff izienz - der hauptsächliche Fokus vieler nationaler Wettbewerbsregime - ist nicht das primäre Anliegen. (... ) Vereinfacht gesagt: Handelsbeauftragte in Exportländern wollen Wettbewerbshüter in Importländern zwingen, bei der Marktöffnung behilflich zu sein.« (Hoekman/Holmes 1999).
Auf den Telekommunikationsstreit bezogen kann also gefragt werden, warum höhere Zusammenschaltungsgebühren, die Telekommunikationsmultis eines wohlhabenden industriestaats abverlangt werden und in dem weniger wohlhabenden Schwellenland womöglich der Quersubventionierung grundlegender Dienste zugute kommen, nicht aufgrund nationaler Wohlfahrtserwägungen auch wettbewerbspolitisch gerechtfertigt sind. Ebenso kann gefragt werden, warum zwischen Ländern mit großen Unterschieden in der ökonomischen Entwicklung für bestimmte Leistungen Oberhaupt vergleichbare Preise gelten sollen. Die Anwendung gleicher Regeln auf Ungleiche fördert erfahrungsgemäß nicht den Ausgleich.
Mode 4 - Zeitweise Migration vs. »braun drain«
Ein besonders konfliktreicher Bereich der Uruguay-Runde war der grenzüberschreitende Personenverkehr von Dienstleistungsanbietern. Während die Industriefänder vornehmlich daran interessiert waren, Erleichterungen für den Arbeitsaufenthalt von Schlüsselpersonal und Spezialisten in Auslandsniederlassungen ihrer Konzerne sowie für Geschäftsreisende zu erwirken, forderten die Entwicklungsländer Erleichterungen für qualifizierte und weniger qualifizierte Arbeitskräfte, da sie sich aufgrund ihres niedrigeren Lohnniveaus bei arbeitsintensiven Dienstleistungen erhebliche Exportchancen versprachen. Indien forderte, dass der zeitweilige Aufenthalt dieser Arbeitskräfte nicht
90 5@ Die Entwicklungst nder in den GAT -Ver a diungen
von dem Bestehen von Auslandsniederlassungen abhängig gemacht werden darf. Dienstleistungsunternehmen aus Entwicklungsländern sind häufig nicht in der Lage, die hohen Kosten der Gründung einer ausländischen Niederlassung aufzubringen. Hinzu kommt, dass in vielen Ländern der befristete Aufenthalt nicht vom permanenten Aufenthalt unterschieden wird, sodass kurzfristige Dienstleistungserbringer unter die Einwanderungs- und Arbeitsgesetze des jeweiligen Landes fallen (Koehler 1999: 189).
Die Vertragsparteien einigten sich schließlich auf einen GATSAnhang zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, in dem festgelegt wird, dass die Mitgliedsstaaten über spezifische Verpflichtungen verhandeln können, »die den grenzüberschreitenden Verkehr aller Kategorien von natürlichen Personen betreffen«. Allerdings wird auch klargestellt, dass das Übereinkommen sich nicht auf Maßnahmen erstreckt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Staatsangehörigkeit, den Daueraufenthalt oder die Dauerbeschäftigung betreffen. Mithin betrifft es zunächst nur den befristeten Aufenthalt von Dienstleistungserbringern, zu der jeweiligen Dauer werden aber keine Angaben gemacht. Im Anhang wird das souveräne Recht der Mitglieder anerkannt, diesen Bereich eigenständig zu regeln, »jedoch dürfen solche Maßnahmen nicht auf eine Weise angewendet werden, dass sie die Handelsvorteile, die einem Mitglied aufgrund der Bedingungen einer spezifischen Verpflichtung zustehen, zunichte macht oder schmälert« (GATS 1994, Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996 L 167).
Noch vor Abschluss der Uruguay-Runde im April 1994 einigten sich die Vertragsparteien auf Zusatzverhandlungen zum Personenverkehr, die sich auf die spezifischen Verpflichtungslisten der VVTO-Mitglieder konzentrierten und im Juli 1995 abgeschlossen wurden. Im Ergebnis haben nunmehr fast alle WTO-Mitglieder - allerdings unterschiedlich weitreichende - horizontale Liberalisierungsverpflichtungen für diese vierte Erbringungsart übernommen. Anhand der Verpflichtungslisten lassen sich fünf unterschiedliche Kategorien von natürlichen Personen unterscheiden (Koehler 1998: 217f.):
n Geschäftsreisende (business visitors): Sie reisen ein, um Verträge anzubahnen oder abzuschließen, die eine Dienstleis-
5, Die Entwicklungsländer in den GATS-Verhandlungen
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