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® schrieb am 6.10. 2010 um 10:33:26 Uhr über

verschwunden

Die Brutalität des Faktischen
Gustavo Germano »Verschwunden«
Während der Zeit der argentinischen Militärdiktatur verschwanden etwa 30.000 Menschen unter bis heute oft ungeklärten Umständen. Sie wurden ermordet. Ein jetzt erschienenes Fotobuch zeigt die Gewalt auf ungesehene Weise.
Bewertung
Die 30.000 Menschen, die in nur sieben Jahren, von 1976 bis 1983, in der Zeit der Militärdiktatur, in Argentinien verschwanden, wurden gefoltert, dann ermordet und späterfür immer – »entsorgt«. Noch heute sind die Wunden dieser Morde nicht verheilt, wie das Fotobuch des 1964 geborenen Künstlers Gustavo Germano zeigt.

Die »Verschwundenen« von Entre Dos Rios

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Information
Gustavo Germano »Verschwunden«
Ein Fotoprojekt von Gustavo Germano mit Texten zur Diktatur in Argentinien 19761983
128 Seiten, € 28,90
ISBN 978-3-940233-43-1
Frühling Verlag
August 2010
Germano ist selbst ein Opfer: Sein ältester Bruder verschwand spurlosund erst heute findet Germano einen Weg, mit dem Verlust umzugehen: die Kunst. Es ist ein einfaches, starkes Konzept hinter diesen bedrückenden Aufnahmen: Alten Familienbildern glücklicher Pärchen, Geschwister oder ganzer Familien stellt Germano seine inszenierten Bilder entgegen: Diese wiederholen die alten Aufnahmen, doch die Verschwundenen fehlen auf den Bildern.

Das Buch versammelt die Bilderserie Germanos mit Texten argentinischer Autoren wie Jorge Luis Borges, Julio Cortázar, Juan Gelman, Rodolfo Walsh oder Horacio Verbitsky, der schreibt: »Deutlicher als die gerichtlichen Verfahren, die journalistischen Recherchen oder die philosophischen Essays gibt die Kunst Auskunft über die unerklärliche Abwesenheit und die qualvolle Leere, die sie verursacht. Die Fotografien von Gustavo Germano beschwören dieses Gründungstrauma der gegenwärtigen argentinischen Identität, und sie versenken uns, mit der stummen Gewalt einer eingefrorenen Geste, in das Mysterium der Zeit

Die, die fehlen
Die Leere auf den Bildern ist keine leise, sondern eine laute, schreiende. Sie visualisiert den Terror eines Staates, der auf schrecklichste Weise ins Leben seiner Bürger greift, Menschen von ihren Familien trennt, die Zurückgebliebenen in Ungewissheit lässt. Mal fehlt eine Schwester, dann die Mutter, dann der Vater, dann das Kind. Die Militärdiktatur in Argentinien hat Löcher ins Leben der Menschen gerissen und das künstlerische Konzept Germanos – ausgehend von authentischem Material zu arbeitenscheint ein probates Mittel die Gewalt, die Leere fühlbar zu machen.

Beim Betrachten der Fotografien, der alten wie auch der neu inszenierten, denkt man an jene, die nicht da sind, doch nicht nur: Man denkt auch an die Überlebenden, die sich an die Verschwundenen erinnern und noch von ihnen berichten können. Und das Buch nennt Namen, zeigt die lächelnde junge Frau Maria Irma Ferreira, den springenden Omar Darío Amestoy. Auch Roberto Ismael Sorba ist tot. Einst saß er neben Jorge Cresta auf einem Hocker, jetzt bleibt der Platz leer. Oder die verschwundenen Eltern von Laura Cecilia Méndez Oliva. Auf dem Familienbild war sie noch ein Baby, zwischen Vater und Mutter. Die erwachsene Laura blickt den Betrachter auf eine Art an, die schwer zu entschlüsseln ist: Es ist die Brutalität des Faktischen, die den Leser und Beschauer hier wie ein Schlag ins Gesicht trifft.

Vorgestellt von Marc Peschke


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