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anoubi schrieb am 5.7. 2009 um 19:44:14 Uhr über

Geldmaschinen

Bevor Anoubi in seinen Raser fiel, holte er noch etwas Bargeld am Geldautomaten. Die Maschine akzeptierte seine vierte Karte und bewilligte ihm zweitausend Dirham. Anoubi drückte auf die Taste neben der Aufschrift zweitausend. Die Maschine bat ihn um etwas Geduld, gab die in Dirham gewünschte Summe und erinnerte ihn daran, dass es gut für ihn sei, wenn er dem Schlitz seine Karte entnehmen und sie wieder in seine Hosentasche stecken würde.
Er flog schnell; an einem frühen Sonntag morgen war es kein Problem, die Pariser Innenstadt zu umfliegen. Er zahlte an der Zahlstelle »Achtung! Sie verlassen in genau fünfhundert Metern Parismit seiner vierten Kreditkarte. Die ersten drei, die ja, klar erkennbar, nichts mehr hergeben wollten, hatte er schon im Zerfetzer entsorgt, er flog in einem Halbkreis um Paris, erreichte Roissy, parkte seinen Flitzer im zweiten Untergeschoss seiner Hausbank (Reihe J), steckte die Parkkarte in seine Hosentasche und eilte zum Abfertigungsschalter der Air Maroc. Erleichtert übergab er einem ihn freundlich anlächelnden jungen Herrn seinen Koffer (genau zwanzig Kilo), reichte der Dame hinter dem Schalter sein Ticket und fragte, ob er in der ersten Klasse im Abteil für Raucher einen Fensterplatz haben könne. Sie warf einen Blick in ihren Computer, bestätigte seine Frage wortlos mit einem Kopfnicken, reichte ihm lächelnd das Ticket und die Bordkarte, informierte ihn mit einer angenehm weichherzig klingenden Stimme, indem sie sagte: »Einstieg um achtzehn Uhr, Flugsteig B
Er lief, vorbei an freundlich grüssenden Zollbeamten, die ihm, nach einem Blick auf seinen Pass, sofort den Weg frei gaben, in den Duty free shop, kaufte drei Packungen Joints der Marke *Nepal-Gold» (zwei für sich und unterwegs, eine für seine marokkanischen Gastgeber) und drei Flaschen «Vitagarten, Bio, Apotheken Exklusiv, Rote Beete-, Trauben- und Tomatensaft (für seinen eigenen Gebrauch). An der Kasse zahlte er mit der vierten, noch funktionierenden Kreditkarte.
Blende. Zwischenruf: »Vorläufig endgültiges Bulletin der Punks auf Regensburg zum Kanakenproblem: *Hiermit weisen wir die Behauptung der Gegenseite, Anoubi leide an Alzheimer, gewaltlos protestierend, zurück.« Blende. Ende.
Ohne Eile betrachtete Anoubi die luxuriösen Auslagen in den Schaufenstern - Schmuck, Kleidung, Parfüms -, dann betrat er ein Buch- und Zeitschriftengeschäft, blätterte Bücher durch, wählte in der deutschsprachigen Abteilung Joseph von Westphalen: »Warum ich trotzdem Seitensprünge mache«. »Hotel Bilderberg«. Einen Tatsachenroman von Bernt Engelmann. »CASH. Strategie gegen den CrashEin Ullstein Sachbuch von Paul C. Martin, entnahm dem Zeitungs- und Zeitschriftenständer »die tageszeitung«, die Zeitschrift »KONKRET«, das »Neue Deutschland«, den »Spiegel« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. An der Kasse zahlte er mit der immer noch funktionierenden vierten Kreditkarte, empfand das, spöttisch lächelnd, als etwas verwunderlich, und setzte seinen Spaziergang ohne Hast fort.

Fortsetzung im nächsten Thread

Quelle: Marc Augé: »ORTE UND NICHT-ORTE. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit1994 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, Seite 7, Seite 8


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