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wuming schrieb am 20.8. 2010 um 06:27:15 Uhr über

Taste

Taste waehlen--druecken Texte werden durch Bilder ersetzt; Geraeusche fuegen Rhythmus oder Nuancierungen hinzu; nichtsprachliche, visuelle Darstellungen dominieren; bewegte Bilder erzeugen eine Dynamik, die vom geschriebenen Wort nur angedeutet werden koennte. In technologisch fortschrittlichen Gesellschaften verbinden interaktive Multimedien (oder Hypermedien) visuelle, akustische, dynamische und strukturale Darstellungsformen. Kontexte fuer die persoenliche Auswertung, Organisation und Bearbeitung von Informationen spriessen in CD-ROM-Formaten geradezu aus dem Boden, als interaktive Spiele, als Lehrprogramme. High-fidelity-Stereoklang, umfangreiche Videomoeglichkeiten, Computergraphiken und eine Vielzahl von Mitteln zur individuellen menschlichen Interaktion bilden die technologische Grundlage fuer eine sich herausbildende allgegenwaertige computerisierte Umwelt. Dieser Prozess kann vorlaeufig folgendermassen zusammengefasst werden: Die Form von Kooperation und Interaktion, die der Komplexitaet unseres heutigen Zeitalters gerecht wird, muss die Massstaebe hoechster Effizienz erfuellen. Die relativ stabile und gut strukturierte Kommunikation auf der Basis der Schrift erweist sich heute als weniger effizient als ein schneller und eher fragmentarischer Kontakt durch Mittel, die nicht mehr auf Schriftlichkeit gruenden oder durch sie gefoerdert werden. Stereotypisierte, repetitive oder klar definierte einmalige Aufgaben und die damit verbundene Schriftsprache sind zunehmend an Maschinen uebertragen worden. Einmalige Aufgaben setzen Spezialisierungsstrategien voraus. Je begrenzter die Aufgabe ist, die dem einzelnen Kommunikationsteilnehmer zugewiesen wird, desto effektiver sind die Wege zu ihrer Loesung. Dies geschieht auf Kosten der Formenvielfalt und des Ausmasses der direkten menschlichen Interaktion und natuerlich auf Kosten der auf Schriftlichkeit gruendenden Interaktion. Entsprechend greift die menschliche Suche nach Identitaet auf Ausdrucks- und Kommunikationsmittel zurueck, die nicht mehr nur auf Schrift gruenden oder auf sie zurueckzufuehren sind. Die der Schriftlichkeit eigenen Merkmale beeinflussen unsere Erkenntnisprozesse, Interaktionsformen und auch die Natur unserer Produktionsbemuehungen in immer geringerem Ausmass. Gleichwohl muessen wir erkennen, dass diese Umstrukturierung unseres praktischen Handelns weder allgemeine Zustimmung findet noch konfliktlos ist, wie wir im folgenden darlegen wollen. Manch einem bleibt die eingeschraenktere Rolle der Schriftlichkeit und der allgemeine Rueckgang der Sprachlichkeit und Sprachfertigkeit im heutigen Leben verborgen, andere wiederum ueberlassen sich der zunehmenden Schriftlosigkeit, ohne sich dieser Tatsache ueberhaupt bewusst zu werden. Viele klagen heute ueber das niedrige Bildungsniveau, stimmen aber der Einfuehrung von Methoden und der Einrichtung von Lebensbeduerfnissen zu, die eine auf Schriftlichkeit basierenden Bildung immer bedeutungsloser machen. Wenn diese Menschen sich auf Bildung berufen, gefallen sie sich in einer Sehnsucht nach etwas, was ihr taegliches Leben laengst nicht mehr beeinflusst. Ihre gesamte Lebensweise, ihr Denken, Fuehlen, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, ihre Erwartungen bezueglich Familie, Religion, Ethik, Moral, Kunst, Essen, Kultur und Freizeit spiegeln laengst diese neue Lebensform der Schriftlosigkeit wider. Und diese Entwicklung ist zwangslaeufig, niemand hat wirklich eine Wahl. Viele Politiker, Lehrer und (Schrift-) Kulturschaffende (Schriftsteller, Verleger, Buchhaendler) zeigen sich ueber den niedrigen Bildungsstand derer besorgt, die eine Ausbildung genossen haben, welche bislang als ausreichende Grundlage fuer durchschnittlich gebildete Erwachsene galt. Sie befuerchten, moeglicherweise aus den falschen Gruenden, dass die Menschen ohne ein hohes Mass an Schreibund Lesefertigkeit nicht leben und gedeihen koennen. Worueber sie tatsaechlich besorgt sind, ist nicht die Tatsache, dass man heutzutage weniger gut oder korrekt schreibt, weniger liest (sofern manche ueberhaupt noch lesen), sondern dass manch einer trotz dieses Umstandes durchaus im Leben bestehen kann. Die selbsternannten Helden der Schriftkultur verwenden Kraft, Energie und Gedanken nicht etwa auf die Frage, wie man aus diesem Umbruch Nutzen ziehen, sondern wie man einen unvermeidlichen Prozess anhalten kann.



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