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mcnep schrieb am 2.7. 2008 um 12:55:55 Uhr über

WeißNichtMehr

Seit Svende Merians 'Tod des Märchenprinzen' und der ganzen Neo-Hausfrauenliteratur von Eva Heller bis Hera Lind, oder welche Sau gerade durch die Bücherregale getrieben wird, sind veränderungswillige moderne-Frauen, blühwillige umzäunte Mauerblümchen mit Turandot-Komplex, ein fester Topos der Dienstleistungsliteratur. Eine der genauesten Beschreibungen einer Entliebung jedoch hat in meinen Augen ein Mann geschrieben, Rolf Dieter Brinkmann nämlich mit seinem einzigen Roman 'Keiner weiß mehr'. Soviel Kälte, soviel Abschied war nie. Eine Leseprobe aus der ungefähren Mitte dieses schmalen Bändchens, Seite 83:

»Langsam und träge auseinandergezogen kriecht die weißlich graue Flüssigkeit von der Handfläche abgeschüttelt den Beckenrand hinunter zum Abflußloch. In einer Toilette nachmittags, sehr still, abgeschieden, stehen zwei ältere Männer dicht nebeneinander, starr aufgerichtet, nur die Hände vorne an der Hose angestrengt bewegt, paß auf, es kommt. Spritzt heraus in zuckenden kurzen Schüben, weißlich grau gegen die Fliesenwand, und das Gefühl, das jeder dabei kurz hat, bleibt beschränkt auf jeden allein, schon gleich darauf geronnen. Man stellt sich dann wieder nach draußen und wartet. Ich liebe dich. Ich liebe dich nicht. Ich liebe dich. Nicht. Lieber eine Cola. Aufmachen, Popcorn verteilen. Die gelblichen Körner. Sie quellen im Mund auf. Werden größer. Auf einmal hat man soviel davon im Mund. Vorher auf der Hand hatten sie kaum Gewicht, waren leicht wegzublasen, obwohl sie nach viel aussahen. Und sie schmecken nach nichts. Die glasig milchige Flüssigkeit, die an den Fingern klebt, schmeckt auch nach nichts. Sie hat den Mund davon voll, mit Speichel vermischt, und bekommt und bekommt sie nicht herunter, möchte das wieder auskotzen, weil es ein zu glibberiges Gefühl ist. Und wirklich, es schmeckt fade und fühlt sich glibberig im Mund an, daß man kotzen möchte. Von innen aus dem Magen kommt es hoch. Der Glibber muß aber runtergeschluckt werden. Ich liebe dich. Wo kann das in einem auf derselben Stelle sitzen bleiben, unverändert, über Jahre hinweg, Tag für Tag, immer gleich. Nein, ich liebe dich nicht. Das stimmte. Er wußte es, er tat es nicht, konnte es nicht tun, es war kein Tun, keine Tat, ein Herumlaufen war es, plump im Kreis herum, aus dem er herauskommen wollte. Er sah sie an


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