Schlafzimmer

»Zeig mir den Platz, wo Du schläfst!« sagte die gertenschlanke, wunderschöne junge Frau zu mir, und ich öffnete guten Gewissens die Schlafzimmertür. Das Bett war frisch bezogen, alles aufgeräumt und wohl am Platz, der Staub gewischt, die Fenster geputzt. Trotzdem erstarrte diese Grazie noch in der Schlafzimmertür zur Salzsäule, starrte mich kurz mit kreideblassem Gesicht an, griff wortlos zu ihrer Jacke, und verließ ohne jeden Gruß die Wohnung.

Wenn man die Jacken der Gäste aufs Ehebett legt, weil man an der Garderobe keinen Platz mehr hat, kommen manchmal neue, ganz kleine Jacken dabei raus. Leider sind die aber nicht größer als Staubflocken und werden beim nächsten Putzen weggewischt. Würde man sich mit Sorgfalt und Liebe um deren Aufzucht kümmern, müsste man weniger Kleidung kaufen.

Der Standort vom Ehebett. Intimster Raum der Wohnung. Wenn man ihn nicht abschließt, können Besucher auch mal das Schlafzimmer betreten.
Aber wenn die Garderobe in der Diele zu klein ist, dann muss die Freifläche im Schafzimmer als Ablageplatz dienen.

Ich finde es äusserst unbefriedigend, verschiedene Lebensbereiche auf verschiedene Räume verteilen zu sollen. Möchte nach wie vor gern alles zentral in meinem Lieblingsraum haben: Bett, Bücher, TV, Computerarbeitsplatz. Dann wären zwei Zimmer entweder Abstellraum oder »Gäste«zimmer (was für ein Hohn...»GÄSTE«...ICH und »Gäste«!! In meine Höhle kommt keiner rein!). Idiotisch. Aber in der Größenordnung meines Budgets für Wohnraumkosten gibts anscheinend keine Penthäuser o.ä., die in etwa das bieten würden, was ich mir so vorstelle.

Wenn ich morgens früh genug aufstehe und aus meinem Schlafzimmerfenster schaue, dann kann ich im Haus gegenüber in ein anderes Schlafzimmer sehen. Da wohnt ein ziemlich attraktiver junger Mann. Fast immer zur gleichen Zeit kommt der morgens nackt aus seinem Badezimmer in sein hellerleuchtetes Schlafzimmer und fängt an, sich einen runterzuholen. Manchmal im Stehen, manchmal legt er sich auch auf sein Bett, zum Glück ohne die Bettdecke, so dass ich aus meinem Blickwinkel wirklich alles sehen kann. Ab und zu nehme ich auch ein Fernglas um kein Detail zu verpassen.

Seit ein paar Wochen hat der junge Mann wohl einen Freund, der ihn zwei oder dreimal in der Woche besucht. Da muss ich dann länger aufbleiben, denn irgendwann nachts treiben sie es bei voller Beleuchtung. Wenn ich dann zusehe, bin ich auch total erregt und mache aus der Ferne mit. So macht das Rentnerdasein wieder Freude!