Sexualkunde

Sexualkunde war schon recht interessant. In unserer Grundschulklasse wurde damals ein Heftchen ausgeteilt, das von einem großen Tamponhersteller mit zwei Buchstaben stammte und das jeder behalten durfte. Es enthielt entsprechende Bilder und Geschichten. Das Hallo war wirklich groß, als jeder sein Exemplar hatte. Es wurde recht laut im Klassenzimmer und das recht lang. Ein riesen Gelächter, das sich wohl auch psychologisch erklären ließe. Doch das wirklich interessante passierte im folgenden Schuljahr. Da hatten wir wieder Sexualkunde und sollten in der nächsten Stunde alle das Heftchen wieder mitbringen. Üblicherweise ist in diesem Alter damit zu rechnen, daß Dinge, die ein Grundschüler seit einem Jahr lagert, verloren oder nur unter größten Anstrengungen auffindbar sind. Und falls sie doch gefunden würden, dann in einem mehr als desolaten Zustand. Entsprechend war damit zu rechnen, daß unsere Lehrerin in der nächsten Stunde vor allem Entschuldigungen zum Nichtauffinden und zum Zustand der Hefte zu hören kriegte. Doch was für ein Wunder: Nichts von dem geschah. Nicht nur, daß jeder das Heft trotz seiner geringen Größe und der für einen Grundschüler geradezu astronomischen Zeitspanne von einem Schuljahr sofort wiedergefunden hatte, nein, auch der Zustand war mustergültig - wie frisch gedruckt. Man kann sich denken, daß ich hier insbesondere von der männlichen Schülerschaft schreibe, denn die weibliche war auch ansonsten sehr ordentlich. Und die männliche war es in diesem besonderen Falle auch, da es für einen Grundschüler doch recht schwer war, an Nacktbilder zu kommen. Und so kam es, daß jeder dieses Heftchen wie seinen Augapfel hütete.

Bemerkenswert ist der Name des Lehrers, der uns in Sexualkunde einführte: er hieß Feige - kein Witz! Er tat alles, um seinem Namen NICHT gerecht zu werden, freilich in der Moderatheit, die den ersten 70er Jahren eigen war: also verklemmt, eigenartig frivol. Er hat Lieblinge unter seinen Schülerinnen - wir waren damals im Lyzeum. Er redete mit ihnen wie mit Eingeschworenen, wie mit Mädchen, mit denen er auch sonst etwas teilte - aber das tat er nicht. Er dachte, das käme gut an: »Offenheit signalisieren« - ein »Prä« seiner »Pädagogik«.

So etwas, wie EJIM schreibt, kenne ich auch. Mein Lehrer in Sexualkunde war eigentlich Biologie-Lehrer, und natürlich war da nix mit Bienen usw. Er war sehr schüchtern, und als er bestimmte Vorgänge beim Sexualakt erklärte, wurde einer meiner Schulfreundinnen schlecht, und sie ging raus. Da tat mir der Lehrer fast leid.