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Liquidationsdefensive schrieb am 3.10. 2002 um 13:17:17 Uhr über

Der-Tag-der-Deutschen-Einheit

Das ist ein sog. Feiertag, aber kein gewöhnlicher, sondern sogar ein Nationalfeiertag, der einzige, der kein irgendwie geartetes religiöses Fundament hat, sondern die Nation zum Gegenstand, erschwerenderweise auch noch die deutsche Nation und die deutsche Einheit, diesen plumpen Zufall der »Gechichte«, für den sich mancher selbst auf die Schulter klopft und sich ein Fleißkärtchen zugesteckt hat. Die einzige Person, an die ich mich in diesem Zusammenhang ohne Langeweile oder ohne von der Selbstbeweihräucherung angewidert zu sein, erinnern kann, ist immer noch Michail Gorbatschow, der jedoch für die viel bedeutendere Tat der Beendigung des kalten Krieges verantwortlich ist, von der die deutsche Einheit nur so ein Bröckchen ist, vielleicht auch nur zustande gekommen, um sich die Kosten für den Unterhalt der sowjetischen Truppen in Deutschland zu sparen. Nein, nein, diesem Tag fehlt völlig die Würde der Tradition und des Anlasses, ja eigentlich ist seine Existenzberechtigung überhaupt nur und ausschließlich auf die Möglichkeit des grenzenlosen Ausschlafens der Werktätigen gegründet, was ganz entschieden zum Glück und zum Wohlbefinden beiträgt und ihm allein einen Funken Menschlichkeit verleiht. Was für eine Innerlichkeit und Besonderheit hat doch im Vergleich dazu z.B. ein Ostersonntag! Mittags gibt es Sauerbraten mit Knödeln, Götterspeise und vorweg gar noch eine Hühnerbrühe mit Eierstich im Kreise der Familie, ein Burgunder wird entkorkt, die Kinder haben Ostereier gesucht und gefunden und laben sich fröhlich am vollmilchschokoladigen Osterhasen, man ist endgültig erlöst vom Eindruck der dreistündigen karfreitäglichen Matthäuspassion, die Musik ist wärmer und heller, ja selbst gegen das Volksmusikbedürfnis der Grossmutter ist man milde gestimmt, der Osterspaziergang ist eine wahre Institution, geradezu ein Frühjahrskult, und man hat vielleicht einen angemessenen Anlass, im Neuen Testament herumzublättern und dann doch hier und da wieder zu staunen. Ein vergleichbare Stimmung ist am 3. Oktober ganz undenkbar. Und das ist gut so. Viel übler wäre es, wenn sich dieser Tag jemals zu deutscher Innerlichkeit, zu einem nationalen Volksfest und zu Fahneschwenken entwickeln würde. Mögen die anderen Nationen an ihren Tagen sich feiern und dies als ganz normal empfinden, das ist mir egal, es stecken wenigstens Leistungen eigener Freiheitskämpfe oder Verfassungen dahinter. Alles was man an deutscher Geschichte nicht direkt einsargen und zertreten kann, ist beinahe gegen den eigenen Willen geschehen und von außen zugeschoben. Die deutsche Nation als solche hat nichts zu feiern, am wenigsten sich selbst, für Deutschland gibt es keine Normalität. Nein, nein, Ausschlafen, das muss reichen...


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