Kunstlehrer

»Ich hab Ihnen immer viel Freiheit gelassen,« war das Erste, was er mir zwanzig Jahre danach sagen mußte. Der Arme, wie muß er gelitten haben. Hab trotzdem was andres gemacht. Oder vielleicht grad deshalb. Keine Ahnung. Einmal hat er mir über die Schulter geschaut: »Boah, das ist ja ein Rembrandt!« Und fünf Minuten später: »Jetzt ist es ein Haufen Scheiße.« Ja, ich war schwer beeindruckt von so viel Freiheit. Klar, dass die Scheiße nicht einsam im Raum stehen blieb. Meist wurde ein Dialog draus. Vor so viel Publikum konnten wir uns den nicht entgehen lassen.

Wir hatten in Kunst eine Lehrerin Frau Peters. Sie hatte die Kombination Sport/Kunsterziehung. Welches Fach ihr wichtiger war, erkannte man schon alleine daran, daß sie sich für die Kunststunde nur mal schnell ein leichtes Kleid und manchmal auch nur einen einfachen Rock über ihren Gymnastikanzug zog, um weniger Zeit zu verlieren und schnell wieder in ihre Turnhalle zu kommen.

Alle Kunstlehrer, die ich während meiner Schulzeit erleiden mußte, waren irgendwie seltsam:
- einer ist Vorsitzender und einziges Mitglied eines von ihm gegründeten Kunstvereins und meldet sich jedesmal ungefragt per Leserbrief in der Zeitung zu Wort, wenn irgendwo eine Ausstellung stattfindet, die nicht in sein künstlerisches Weltbild passt.
- einer kam eines Morgens in die Klasse, hängte kommentarlos eine unglaublich authentisch-schreckliche Version von röhrendem Hirsch auf, und wir mußten die nächsten drei Wochen damit verbringen, das Viech abzuzeichnen.
- einer wollte für den Rest seines Lebens nach Australien auswandern, war aber nach 2,5 Jahren schon wieder hier.

Demnächst sollen ja, um die Bildungsmisere in den Griff zu kriegen, vermehrt Kunstlehrer eingesetzt werden. Der Bildungsausschuss der Kammerrepräsentanten erteilte kürzlich den Forschungsauftrag zur Entwicklung »künstlichen Lehrpersonals« an das Institut für genetische Doppelmoral der Maria-Hilf-Stiftung.