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elfboi schrieb am 10.6. 2003 um 22:44:38 Uhr über

Präambel

Präambel zu den
praxisorientierten Handlungsleitlinien
für Diagnose und Therapie
in der Augenheilkunde (1)

Präambel

Mit diesen Handlungsleitlinien leistet der BVA einen Beitrag zum medizinisch Notwendigen in der Augenheilkunde für die Praxis und aus der Sicht des niedergelassenen Augenarztes.

Die Handlungsleitlinien sind keine Richtlinien.
Richtlinien werden in Deutschland von einer gesetzlich, berufsrechtlich, standesrechtlich oder satzungsrechtlich legitimierten Institution erlassen, gelten als verbindlich und ziehen bei Nichtbeachtung Sanktionen nach sich.

Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen über die angemessene Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Leitlinien sind wissenschaftlich begründet und beziehen sich auf praxisorientierte Handlungen. Sie werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft und ggf. fortgeschrieben. Leitlinien stellen den nach einem definierten, transparent gemachten Vorgehen erzielten Konsens mehrerer Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen und Arbeitsgruppen (ggf. unter Berücksichtigung der Patienten) zu bestimmten ärztlichen Vorgehensweisen dar. Sie sind Orientierungshilfen im Sinne von »Handlungs- und Entscheidungskorridoren«, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss.

Empfehlungen sind demgegenüber unverbindlich. Von ihnen kann jederzeit abgewichen werden.
Zielsetzung

Ausgehend von diesem Verständnis sollen in den Handlungsleitlinien
die Bedürfnisse unserer Patienten,
der Stand medizinischer Erkenntnis und Erfahrung,
Gesichtspunkte der Praktikabilität
ihren Niederschlag finden und damit die Grundlage für eine Qualitätssicherung in der Praxis schaffen.

Den Handlungsleitlinien liegt der allgemein anerkannte Qualitätsstandard zugrunde. Sie werden daher zusammen mit klinisch wissenschaftlichen Experten der Fachdisziplin und in enger Kooperation mit der DOG entwickelt und gepflegt.

Gliederung und Themenauswahl orientieren sich teilweise an den »Preferred Practice Patterns« der American Academy of Ophthalmology. Das unter »notwendig« aufgeführte Vorgehen gilt als obligat in jedem Erkrankungsfall. Die unter »im Einzelfall erforderlich« aufgelisteten Untersuchungen und Maßnahmen sind nicht routinemäßig, sondern unter bestimmten Voraussetzungen angebracht.

Die BVA-Handlungsleitlinien orientieren sich an den von der äzq übernommenen Qualitätskriterien von BÄK und KBV:
Transparenz
Gültigkeit
Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit
Multidisziplinäre Entwicklung
Anwendbarkeit
Flexibilität
Klarheit, Eindeutigkeit
Dokumentation der Leitlinienentwicklung
Planmäßige Überprüfung
Verfügbarkeit
Überprüfung der Anwendung *)
Kosten-Nutzen-Verhältnis **)
*)
Die uneingeschränkte Umsetzung der Leitlinien ist in der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland wegen struktureller und finanzieller Einschränkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht möglich.

**)
Ökonomische Aspekte wie die des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bleiben unberücksichtigt.

Ziel der Leitlinien ist eine angemessene Versorgung der Patienten und nicht die Harmonisierung von sozialrechtlicher Leistungspflicht und medizinischem Standard.

Entstehung und Pflege

Für die Konzipierung einzelner Leitlinien sind Arbeitskreise zuständig, die sich aus themenkompetenten klinisch und in der Praxis tätigen Augenärzten und zwei permanenten Mitgliedern als Koordinatoren (zurzeit Prof.Dr.B.Bertram/Aachen und Dr.C.-D.Arens/Leverkusen) zusammensetzen. Aus einer Vorlage, die von einem ausgewiesenen Experten für das spezielle Thema stammt, entwickelt der jeweilige Arbeitskreis unter Auswertung relevanter Literatur einen Vorentwurf. Dieser wird mehr als 50 ausgesuchten Praxisinhabern und zahlreichen Klinikern in Deutschland zur kritischen, strukturierten Beurteilung gesandt. Die Ergebnisse der Umfrage werden vom Arbeitskreis ausgewertet und nach Möglichkeit in den vorläufigen Leitlinientext eingearbeitet. Dessen Endredaktion obliegt den Koordinatoren. Es handelt sich also um die Modifikation eines Konsensverfahrens mit einer »Delphi-Konferenz«. Gliederung und Inhalte der Handlungsleitlinien berücksichtigen sowohl die Basisdiagnostik wie krankheits- und symptomorientierte Themen. Inhalt und Zielsetzung der Leitlinien beziehen sich auf das in der augenärztlichen Praxis Machbare und an Qualität Erreichbare. Sie beanspruchen Unabhängigkeit von geltenden oder zukünftigen Gebührenordnungen. Sie haben dem BVA als Grundlage für den Vorschlag ablaufbezogener und krankheitsorientierter Gebührenordnungskomplexe (»OPHDO«) gedient.

Auswirkungen

Verbindlichkeit für den Vertragsarztbereich kommt im strengen Sinne nur den Richtlinien der Bundesausschüsse bezüglich Qualität und Wirtschaftlichkeit ärztlicher Behandlungen zu.

Bei Honorarkürzungen und Arzneimittelregressen, bei denen die Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes mit dem Vorwurf der »Überdiagnostik und Übertherapie« begründet wird, kann sich der Vertragsarzt zur Verteidigung auf die Beachtung der Leitlinien berufen. Dies gilt auch für eine Argumentation im privatärztlichen Bereich. Durch die Ausgrenzung überflüssiger Leistungen liefern die Leitlinien einen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit, ohne das medizinisch Notwendige dem politisch manipulierten Diktat des Wirtschaftlichkeitsbegriffs im SGB V zu unterwerfen. Haftungsrechtlich kommt der Beachtung der Leitlinien eine Schutzfunktion zu. Wer die Leitlinien befolgt, dem kann kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden; es sei denn, die individuelle Situation des Patienten begründet oder erzwingt sogar ein Abweichen von der Leitlinie. Natürlich darf die Leitlinie nicht veraltet sein, und grundsätzlich ist der Arzt nicht von seiner Fortbildungspflicht entbunden. Der medizinische Standard wird zunehmend auch durch wirtschaftliche Maßstäbe modifiziert mit der Folge, dass der Sorgfaltsmaßstab nicht nur durch das medizinisch Machbare, sondern auch durch die dem Arzt zur Verfügung stehenden Mittel bestimmt wird. Der ausdrückliche Bezug auf die Praxis macht die Bedingungen, für die die BVA-Leitlinien gedacht und unter denen sie anzuwenden sind, transparent.

Gesellschaftliche Forderungen und gesundheitspolitische Konsequenzen

Grundsätzlich

Die Leitlinien stehen nicht zuletzt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wertvorstellungen.

Ärztlicher Auftrag und Haftungsmaßstab werden nicht allein durch die Wertvorstellungen des Patienten begrenzt, sondern auch durch die Wertvorstellungen der Gesellschaft, in die Patient und Arzt gleichermaßen eingebunden sind. Beide, Patient und Arzt, hängen folglich gerade auch davon ab, in welchem Umfang und auf welche Weise die Gesellschaft in der Lage, aber auch bereit ist, zu ihrer medizinischen Versorgung beizutragen. Grenzen der Finanzierbarkeit, die sich aus dem Verteilungssystem ergeben, hat der Patient als sein Krankheitsrisiko zu tragen.

Überdies haben die Leitlinien den durch die Gesundheitspolitik vorgegebenen Handlungsrahmen nicht nur zu beachten, sondern vielmehr einen Beitrag zur Gestaltung dieses Handlungsrahmens zu leisten.

Leitlinien und Leistungsanspruch in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Im Gegensatz zu den Orientierungseckpunkten der Leitlinien (siehe unter »Zielsetzung«) unterwirft das Sozialgesetzbuch V sein Notwendigkeitsverständnis zusätzlichen, einengenden Kriterien. Dazu gehört im Wesentlichen das Gebot der Wirtschaftlichkeit (§ 12) unter dem Primat der Beitragssatzstabilität (§§ 4, 71). In gleicher Weise gilt das für »den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse« (§ 70), dessen konkrete Umsetzung in der Versorgung der Versicherten an die Beschlüsse und Richtlinien des Bundesausschusses Ärzte/Krankenkassen gebunden ist92). Das präventive Leistungsspektrum der GKV beschränkt sich ausschließlich auf die Maßgaben der §§ 20-26 des SGB V. Daher können Mitglieder der GKV aus grundsätzlichen Gründen nicht uneingeschränkt die Leistungen beanspruchen, welche die Leitlinien aus augenärztlicher Sicht als »notwendig« bzw. »im Einzelfall erforderlich« darstellen. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was Ärzte zur angemessenen Versorgung für geboten halten, und dem Leistungsrahmen der deutschen GKV. Das Ausmaß der Diskrepanz schwankt in Abhängigkeit von dem strukturellen und finanziellen Rahmen, den die Gesundheitspolitik der GKV gewährt, und dem Fortschritt der Medizin.

Die Leitlinien werden mithin der Gesundheitspolitik, nicht zuletzt aber auch den Krankenkassen die Entscheidung abverlangen, inwieweit das, was wir für augenärztlich notwendig und unverzichtbar halten, von den Solidargemeinschaften zu tragen oder dem Einzelnen als individuelles Risiko zu überbürden ist. Die augenblicklichen und zukünftigen Auseinandersetzungen um Pflicht- und Wahlleistungen in der GKV wie zu den privat zu übernehmenden »individuellen Gesundheitsleistungen« können die niedergelassenen Augenärzte nur mit Hilfe von Leitlinien bestreiten, welche der Qualitätssicherung dienen. Voraussetzung dazu ist eine angemessene Honorierung des medizinisch Notwendigen oder auch ärztlich Wünschbaren.

Dr.med. Uwe Kraffel
1. Vorsitzender des BVA

Koordinatoren:

Prof.Dr.med. Bernd Bertram
2. Vorsitzender des BVA



Dr.med. C.-D. Arens
Sonderbeauftragter des BVA-Vorstandes

Literaturhinweis:

(1)
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
»Beurteilungskriterien für Leitlinien für Diagnostik und Therapie«
Deutsches Ärzteblatt 94: A2154-2155 (1997)

© 1998-2002 BVA, alle Rechte vorbehalten

Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 12.05.2002

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