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solarschule schrieb am 28.2. 2003 um 00:52:30 Uhr über

KeinMenschIstIllegal

den verschiedensten Interpretationen dieser GründungsGeschichte immer wieder um das bereits benannte Problem: Wie verhält sich eine Politik der Gründung, der Ortung und Ordnung zu einem Politischen, das hier ebenso wie in der Erzählung von Menenius Agrippa mit der Undiskriminiertheit und Ortlosigkeit einer bloßen und deterritorialisierten Menge verbunden ist7
2. Gerade seit dem 19. Jahrhundert scheint man das Politische dieses Asyls als einen gewissen Vorwurf und Skandal begriffen zu haben. So sehr nämlich dieses Asyl eine Grenze der Politik markiert hat und die Spannung zwischen ungeordneter Masse und geordnetem Volk, zwischen Verortung und Entortung umschließt, so sehr galt es nun als abgemacht, daß diese Gestalt des Asyls als Unort, als Ansammlung von unterschiedslos Gleichen und als Annullierung des Gesetzes in einer fundamentalen Feindschaft zum eingerichteten Staatswesen stehen muß. Und spätestens seit dein 19. Jahrhundert läßt sich demnach ein dop_ peltes Verschwinden des Asyls konstatieren. Denn einerseits haben nun staatliche Macht und Rechtsstaat einen Raum erzeugt, der keinen undiskriminierten Ort mehr kennt und konzediert, Staat und Recht haben gewissermaßen die Sache und den Begriff des Asyls absorbiert und kassiert. Ich zitiere aus einer Studie zur Geschichte des AsYlre,hts von 1853: Der Staat hat nach Gelangung zur Kraft, durch die er dem Unglücklichen Schutz, und dem Verletzer Strafe nach der Ordnung seiner Ge. setze angedeihen läßt, die Macht des Asylrechts gebrochen. Er selbst ist jetzt das Asyl, aber nicht der willkürlich, sondern der, nach feststehenden Gesetzen gehandhabten. Ausübung des Rechts. In seinem Asyl wird das Recht geübt und der Mißbrauch des Rechts geahndet-' Das ist die eine Seite: die Ersetzung des Unorts des Asyls durch den lückenlosen Geltungsraum des Gesetzes. Die andere Seite - und das ist eine ebenso wesentliche Veränderung - betrifft den Begriff des Asyls selbst: Er bedeutet jetzt, seit spätestens Anfang des 19. Jahrhunderts, nicht mehr allein Zufluchtsstätte, sondern ist nun überdies zum Namen für einen Ort der Einsperrung geworden - das Asyl als Heim, als Unterkunft für Bedürftige, als Irrenanstalt und Ort der Diszipli-

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nierung. Vom Ort oder Nicht-Ort der Unterschiedslosigkeit, der einst das Gesetz anhalten ließ, ist also das Asyl hier zu einem exemplarischen Ort der Diskriminierung geworden, in dem zwar nicht unbedingt das Gesetz, aber eine polizeiliche Sorge

waltet.

3. Diese beiden Seiten gehören zusammen und lassen sich als eine Reduktion begründeter ortlosigkeit begreifen: einerseits mit dem überschreiben undiskriminierter Leerstellen durch die andererseits durch eine diskriminierende Schrift des Rechts;

Umwandlung von Zufluchtsstätten und Enklaven, die nun zu Orten der Einsperrung, Verwaltung und disziplinären Durchdringung geworden sind. Es ist also nur konsequent, wenn auch im 20. Jahrhundert und insbesondere nach 1945 das Asyl und das Asylrecht nicht nur als prinzipiell rechtsfeindlich angesprochen, sondern zudem in eine Vorvergangenheit moderner Staaten zurückverlegt werden. Die Bedeutung des Asylrechts', heißt es etwa in einer Studie von 1954, liegt in einer Zeit unentwickeltet Rechtsverhältnisse.' Und in einer anderen Darstellung: Der Rechtsstaat kann keine exemten, seinem Zugriff entzogenen Bereiche dulden.' Umso bemerkenswerter mochte die bündige Formulierung von Artikel 16, Satz 2 aus dem Grundgesetz erscheinen, die Sie alle kennen und die seit zwanzig Jahren Gegenstand der Auseinandersetzung ist: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Bemerkenswert ist diese Satz nicht nur, weil er weder in der Weimarer Verfassung noch in der Verfassung des Kaiserreichs ein Gegenstück hatte; bemerkenswert ist er nicht nur, weil er den Text des Grundgesetzes zugleich als Resultat und Ort einer historischen Erfahrung der Verfolgung kennzeichnet. Es ist vielmehr mit diesem Satz an eminenter Stelle der Term Politisch' eingeführt, der ganz konsequent einen Unort des Politischen im befriedeten Ort des Gesetzes geöfftiet hat. Ich will hier nicht weiter auf die umfangreichen juristischen und politischen Debatten um dieses Grundrecht auf Asyl eingehen, sondern zumindest folgendes festhalten: Die Änderungen, die mit Geltung vom 1. Juli 1993 in den Artikel 16 des Grundgesetzes eingeführt wurden, scheinen mir nicht zuletzt von einer Logik geprägt zu sein, die eine doppelte Aus-

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