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mcnep schrieb am 9.3. 2005 um 01:27:00 Uhr über

Mondstillstand

Obwohl meine Kindheit bis zur Einschulung weitestgehend in einem Nebel aus dumpfer Synapsenkeimung und Verdrängung verschlossen liegt, hat sich doch die Erinnerung an meine Trostspielzeuge dieser Zeit bewahrt: Da war zum einen Floppi, das Schaf, das ich bereits zur Taufe von meinem unlängst verstorbenen Patenonkel geschenkt bekam (1965, und somit jeglicher PC–Reminiszenz unverdächtig; ich weiß noch, wie ich in den 80ern erstaunt feststellen mußte, daß ein Computerbestandteil nach meinem Kuschelschaf benannt war), dann das blaue Pferd, das eigentlich ein Esel war und vermutlich durch meine Mutter anläßlich der in den 60ern grassierenden FranzMarcHysterie seine Fehlzuschreibung bekam, 1968 anläßlich meiner irrtümlich diagnostizierten Todesnähe vom Arbeitgeber meines Vaters überreicht; und zeitlich zwischen beiden gelagert, 66 oder 67 also, der Mond, der wie das Pferd kein Pferd eigentlich kein rechter Mond war, vielmehr eine Art astronomischer Hybride: Das Gesicht eine Halbkugel, von ungefähr an die typischen Martinslaternen erinnernd, umrahmt von einem heliosartig gezackten Strahlenkranz, der gleichermaßen Sonne wie Stern darstellen konnte. Darin verbarg sich eine Spieluhr, die aufgezogen das bekannte 'Guter Mond, du gehest soho stihille' intonierte. Das ganze jedoch keinesfalls, wie es heute der SpielzeugTÜV fordern würde, in antiallergen–kinderfreundliches Latex gehüllt, vielmehr war es eine SperrholzKonstruktion, die aufgrund der umrahmenden Zacken eher spröde auf meine Interessensbekundungen reagierte. Ich liebte sie alle drei mehr als jedes andere Personal meiner Schlummermenagerie, doch am meisten vermutlich das blaue Pferd, das eigentlich ein Esel war und niemals einen anderen Namen als 'Das blaue Pferd' trug; was man liebt, das zäumt man nicht in zuviel Worte. Der Sonnenmondstern jedenfalls faszinierte mich ebenfalls ungemein, die klaren hohen Töne, die aus dem hölzernen Bauchgesicht drangen, konnte ich nicht oft genug hören, doch war ich stets bestrebt, während des Spiels in seiner Nähe zu bleiben, denn ab dem letzten Viertel, wenn die weißpolyesterte Schnur schon fast im Bauch der Méliès–Fratze verschwunden war, begann die Musik zu erlahmen, immer träger tröpfelten die Töne, bis sie dann zu einem Stillstand kamen, der mir spätestens zu der Zeit, als das blaue Pferd, das eigentlich ein Esel war, in mein Leben trat, zu sehr die Ahnung schürte von einem Moment, da alle Musik zu einem Stillstand kommen würde.


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