Vor zwei Tagen hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, während eines meiner seltenen Besuche bei D. eine halbe Stunde Privatfernsehen zu erleben. Ich sollte vielleicht dazusagen, daß mein letzter derartig langer Fernsehkonsum etwa in der Zeit zu verorten ist, in der die meisten Menschen noch Röhrenfernsehgeräte im Wohnzimmer stehen hatten.
Ich saß also nun unvorbereitet und ahnungslos vor einem FullHD-50-Zoll-LED-DVB-C-TV, der das Zimmer so hell machte, daß kein Licht notwendig war und wurde mit einer oder mehreren Sendungen (eine Struktur konnte ich beim besten Willen nicht erkennen) konfrontiert.
Daß ich hart im Nehmen bin, habe ich lange Zeit angenommen. Aber die gezeigten Bilder und die dazu in einem eigenartigen, kaum nachahmbaren Deutsch gesprochenen Kommentare zeigten mir spontan die Grenzen meiner Toleranz auf.
Wie ich nach etwa 10 Minuten mitbekam, ging es um Brustvergrößerung bei Frauen. Nicht in einem etwa informativen oder dokumentarischen Stil, sondern in einer Art Unterhaltungsstory. Eine ehemalige Porno-Schauspielerin hatte sich operieren lassen. Man zeigte etliche Vorher-Nachher-Aufnahmen, immer wieder fiel der Satz »Mehr geht nicht rein«. Zwischendurch kurze Einblendungen eines Gesprächs zwischen ihr und ihrer Mutter, die zwei Silikonkissen in den Händen hielt, und Einspieler von irgendwelchen Auftritten auf dem roten Teppich. Die Frau wurde immer wieder oben ohne gezeigt. Außer den beiden ballonartigen Brüsten war alles an ihr klapperdürr, definitiv anorektisch.
Ich mußte mit mir ringen, es ging nahe an die Grenze zum spontanen Erbrechen.
Die hohe Auflösung des Bildschirms und dessen gnadenlos grelle Ausleuchtung stellten jede Pore, jede Hautirritation, jeden Schweißtropfen unnatürlich scharf dar. Man konnte genauestens erkennen, wo das Make-Up nicht ganz so perfekt aufgetragen war. Ganz zu schweigen von den Äderchen im Auge, den Muttermalen, den verwaisten Piercing-Löchern etc. etc.
In einer Melange mit dem verstörend authentisch vorgetragenen Proletendeutsch, dem schnellen Wechsel der Kamera und der Szenen sowie diesem unsäglichen Thema, das eigentlich keines war, weil es nur darum ging, daß die »Busen-OP« ein »voller Erfolg« war und dies von allen Beteiligten eine halbe Stunde lang wiederholt wurde, wirkte das auf mich wie der Besuch in einer von Aliens arrangierten surrealistischen Kunstausstellung.
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