Typografie der deutschen Mode – von A bis Z
Eine buchstabierte Beerdigung des guten Geschmacks.
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A – Anspruchslosigkeit:
Aber bitte mit Absicht.
Je weniger es kann, desto mehr „Statement“.
B – Beige:
Der Nationalfarbton zwischen Selbstschutz und Stilvermeidung.
Wird als „zeitlos“ verkauft – ist aber einfach nur müde.
C – Capsule Wardrobe:
Fünf Teile, die alle gleich aussehen,
aber einzeln ein ganzes Leben lang langweilig bleiben.
D – Dutt:
Der „Ich bin über der Mode“-Haarschnitt.
Trägt sich am besten mit einem Buch über Achtsamkeit und Kleidungsstücken, die „fließen“.
E – Ethik statt Ästhetik:
Gutes Gewissen auf der Haut – leider ohne Schnitt.
F – Funktion:
Deutschlands modischer Fetisch.
„Ist wasserabweisend“ wird wichtiger als: „Steht mir das überhaupt?“
G – Gönnung:
Wird nur auf T-Shirts geschrieben, aber nie gelebt.
H – Haltung:
Wird täglich getragen. Im Gesicht, im Ton, im Stoff.
Schönheit ist verdächtig.
Ironie ist unerwünscht.
I – Influencerin:
Ehemalige Poetry Slammerin, jetzt tragbare Textbotschaft.
Nichts passt, aber alles hat Kontext.
J – Jacke:
Immer eine Nummer zu groß.
Denn Weite heißt heute: Woke.
K – Kleiderschrank:
Voll.
Mit Statements, Konzepten und drei Second-Hand-Blazern,
die alle gleich sitzen: gar nicht.
L – Leinen:
Krumpelig, teuer, bedeutungsschwer.
Wird nie gebügelt, aber immer moralisch überhöht.
M – Magazin:
„Das neue Stilgefühl“ in Ausgabe 347 mit exakt denselben Farben wie letztes Jahr.
Models: müde.
Texte: traurig.
N – Nachhaltigkeit:
Deutschlands liebste Ausrede für Geschmackslosigkeit.
O – Oversize:
Schnitt für Menschen, die sich nicht entscheiden wollen –
oder sich grundsätzlich nicht mehr spüren möchten.
P – Prominente:
Erkannt am Outfit, das aussieht wie ein Kunstprojekt über Narzissmus und Farbvermeidung.
Tragen alles – solange es nicht sitzt.
Q – Qualität:
Wird behauptet, nie bewiesen.
Man weiß, der Pulli war teuer – sieht aber aus wie der von Tchibo.
R – Rollkragen:
Der intellektuelle Notausgang.
Versteckt jede modische Inkompetenz hinter angeblicher Leselust.
S – Sneaker:
Darf in Deutschland zu allem getragen werden –
auch zur Taufe, Beerdigung und Bundesverdienstkreuz-Verleihung.
T – Tasche:
Muss groß sein.
Damit das schlechte Gewissen, die Wasserflasche und das letzte Manifest reinpassen.
U – Unisex:
Heißt: Formlosigkeit für alle.
Eine politische Geste in Sweatshirtform.
V – Vintage:
Was früher gebraucht hieß,
wird heute als 99-Euro-Karikatur verkauft.
W – Woke-Wear:
Mode, die nichts sagt – außer: „Ich bin informiert.“
Kann nicht tanzen, aber zitiert Audre Lorde.
X – X-beliebig:
Die heimliche DNA des Deutschlandstils.
Alles sieht aus wie alles.
Aber mit Haltung.
Y – Yoga-Look:
Tragbar in Prenzlauer Berg, auf der Matte und beim Supermarkt in Charlottenburg.
Niemals beim Yoga.
Z – Zeitlos:
Das deutsche Wort für:
„So langweilig, dass sich niemand traut, ein Jahr dranzuschreiben.“
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