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Susanne schrieb am 8.8. 2006 um 23:02:30 Uhr über

GuteNachtGeschichten

Immer vor dem Einschlafen sah sie die Decke wieder einstürzen.

An sich kein beängstigender Anblick, denn sie wußte, daß sich die schweren Betonpfeiler, die beim letzten Bombardement schräg gegeneinander gefallen waren, wie ein Torbogen über sie wölben und die Deckenplatte aufhalten würde. Sie würde also zunächst in Sicherheit sein. Und dann würde das Licht ausgehen. Auch das kannte sie. Und das Geschrei der Frauen und Kinder in der Dunkelheit. Staub würde es geben, der das Atmen erschwerte. Und in den Augen biß, die aber ohnehin nichts sehen konnten. Etwas störend würde sich die Tatsache bemerkbar machen, daß ihre Hände immer noch hinter ihrem Rücken gebunden waren, harter Kuntstoff, der ihrer Haut nicht gut tat. Aber sie würde ihre Beine gebrauchen können, um den Kreislauf in Gang zu halten.
Die Rufe würden dann allmählich leiser werden, in einen jammenden Singsang übergehen, nur machmal noch ein irgendwie rabiates, aufbegehrendes, schrilles Kreischen. Aber auch das würde bald verstummen.

Sie wußte, daß die ersten Stunden die härtesten waren.

Der Staub hat sich schnell gelegt, sie kann jetzt wieder besser atmen. Das dünne Armeehemd ist quer über ihrer Brust aufgerissen, sie spürt eine ölige Flüssigkeit über ihre Haut laufen, kann nicht herausfinden, was es ist. Ihr Bewegungsradius ist jetzt weiter eingeschränkt, nachdem einer der großen Pfeiler in der Mitte einknickte und ein Haufen Steine sich über ihr rechtes Bein ergossen hat. Das linke aber läßt sich noch bewegen.
Wenn sie den Kopf ganz weit zur Seite dreht, so weit, daß der Schmerz in ihren Armen schier unerträglich wird, sieht sie ganz fern ein Licht. Sie versucht diese Bewegung immer wieder, bis sie erschöpft und vor Schmerz laut weinend nicht mehr kann.

Diesmal lassen sie sich aber wirklich Zeit. Und auch der Geruch nach Benzin ist neu. Er dringt immer stärker in ihre Nase. Ist es Dieselöl, das sich inzwischen auf ihrem gesamten Brustkorb verteilt hat wie eine zu reichhaltige Ölung?
Und dann auf einmal das ferne Geräusch elektrischer Entladungen. Ganz unscheinbar erst. Aber für ihr geschultes Ohr unverkennbar.

Jetzt gerät sie doch in Panik. Dabei hat sie doch bis zum Schluß so gut durchgehalten. Keine Atemluft verschwendet mit sinnlosem Rufen. Ihren Körper nicht an den scharfkantigen Stahlarmierungen unnötig verletzt. Doch als ihr jetzt dieser wohlvertraute Rauch in die Nase steigt und die von der Seite heran nahende Hitze sie jäh anfällt, kann sie sich nicht mehr beherrschen. Verzweifelt und vergeblich bäumt sich ihr Körper gegen das auf, was ihr Geist bereits akzeptiert hat.

Der Druck auf ihrer Schulter wird endlich doch überwältigend, und dann jäh wie ein Blitz diese grelle Glut..


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