Leute! Leute! Es ist alles ein großes Missverständnis! Die Gepardenforelle ist gar keine Forelle! Nicht mal ein Fisch. Ein Irrtum, der auf eine Sprachverschleifung zurückgeht. Zufällig bin ich im Besitz der Erstausgabe des Grimmschen Wörterbuchs. Und darin findet sich ein Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung.
Hommingberger Gepardenfürelle, die; fem. (ahd: eiliha). Längenmaß von etwa 47 Zehntel Meter.
Mehr steht im tausendbändigen Grimmschen Wörterbuch auch nicht. Aber mir scheint es an der Zeit, dieses alte Rätsel endlich mal zu lösen, das Geheimnis zu lüften... Bittesehr:
Die Gepardenfür-Elle ist ein Längenmaß, das nur in der fränkischen Reichsstadt Hommingberg gebräuchlich war. Sie geht auf eine Auseinandersetzung im späten 15. Jahrhundert zurück. Damals galt noch die alte Hommingberger Elle, deren Länge für alle sichtbar in der Kirchenmauer eingelassen war. Stolze 54 Zentimeter maß die Hommingberger Elle.
Es waren schwierige Zeiten. Herbst des Mittelalters. Der Sultan hatte Konstantinopel erobert, Pius II. suchte gegen die Türken zu rüsten und von Osten her brandeten die Husittenkriege übers Land. In Hommingberg aber, beim Schneidermeister Ludwig Sebastian Hosenbichler gingen die Geschäfte schlecht.
Was sollte er tun? Hosenbichler hatte Frau und Kind zu Hause. Und die wollten was zu essen haben. Also begann er zu feilen. An der Hommingberger Elle nämlich. Jeden Tag wurde sie um einige Millimeter kürzer. Und das war gut für Hosenbichler. Denn von Tag zu Tag wurden auch die Stoffbahnen, die er seinen ahnungslosen Kunden verkaufte, und die selbstverständlich mit der Hommingberger Elle gemessen wurden, kürzer. Längen und Preise beim Tuchhändler in Nürnberg aber blieben gleich. Hosenbichlers Kasse begann sich zu füllen.
Natürlich musste der Schwindel irgendwann auffliegen. Gut sieben Zentimeter hatte Hosenbichler bereits abgefeilt, als man ihn dabei ertappte. Die Bürger waren außer sich vor Zorn. Maß-Betrug war ein schweres Vergehen.
Die Bürger brachten Hosenbichler vor den alten Grafen aus dem Geschlecht derer von Hommingberg, der damals für den Kaiser das Gericht über Hommingberg führte. Der Graf war bereits weit herumgekommen und hatte einst von einer Venedigreise zwei Geparden mit nach Hommingberg gebracht. Die Bürger aber waren so sehr über Hosenbichler erzürnt, dass sie schrien: »Fier dei Gebarden. Fier dei Gebarden mit ihm!«
Hosenbichler wurde aber lediglich zu zwei Jahren Kerkerhaft verurteilt. Im Winter 1467 kam er nach Hause zurück. Sein Haus war verfallen. Frau und Kinder fortgezogen. Damals schrieb er ein kleines, namenloses Lied, das als Handschrift die Jahrhunderte überdauerte und schließlich 1976 bei Reclam in Leipzig erstmals gedruckt wurde. Marcel Reich-Ranicki hat es in seine Frankfurter Anthologie aufgenommen. Dort findet es sich in Band 1 (1000 Deutsche Gedichte, Band 1, Insel-Verlag Frankfurt/Leipzig 1994) auf Seite 53. Wolfgang Koeppen hat eine lesenswerte Rezension geschrieben. In dieser Ausgabe steht übrigens immer noch »Unbekannter Dichter« über dem Gedicht. Hier wird also erstmals das Geheimnis um den Autor gelüftet.
Um aber auf die Gepardenfür-Elle zurückzukommen. Nach dem Prozess um Hosenbichler ließen die Hommingberger ein neues Ellenmaß in ihre Kirchenmauer ein. 54 Zentimeter lang. So wie es sein sollte. Die verkürzte Elle wurde aber fürderin Geparden-für-Elle genannt. Weil alle, die nach dieser Elle maßen, »vor die Geparden« gebracht werden sollten. Als Hommingberger Gepardenvor-Elle ging sie in die Geschichte ein.
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