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toxxxique schrieb am 12.8. 2001 um 13:55:37 Uhr über

Seelentaumel

Ich schließe jetzt einen Moment lang die Augen und denke an die Insel, auf der wir im Juni waren, an die kilometerweiten Sanddünen über die ein warmer, beinahe tropischer Wind streicht und den tiefblauen Himmel, der ganz weit im Süden nahtlos mit dem Meer verschmilzt.

Ich denke an den Landrover, den wir gemietet hatten, und der nach ein paar Tagen von salzigem Sand verkrustet war, von den Pisten die sich durch das Land ziehen, weil es kaum Asphaltstraßen gibt.In Cofete ist es nicht erlaubt zu surfen, weil der Atlantik jedes Jahr einige zu waghalsige Surfer nicht mehr ans Land zurück gibt, eine rote Fahne ist am Strand hochgezogen, aber das scheint keinen wirklich zu kümmern. Es gibt Camps dort, die nicht genehmigt sind, und alle paar Tage kamen Polizisten, hemdsärmlig und sonnengegerbt, in Jeeps die Küstenstraße herauf gefahren und prüften bei dem einen oder anderen die Personalien, machten aber im allgemeinen keine Schwierigkeiten. Einmal setzten sich zwei von ihnen ans Lagerfeuer und tranken Sangria mit uns.

In Cofete ist das Wetter immer stürmisch, der Wind und das Meer fressen sich tief in das zerklüftete Land hinein, spülen den Strand fort, von dem an manchen Stellen nur noch ein dünner Streifen zurück geblieben ist.

Wir hatten Zelte dabei, stellten sie aber nicht auf. Wir legten uns in Schlafsäcken an den Strand, einige Meter vom Lagerfeuer entfernt, jemand spielte »Hotel California« auf einer Gitarre. Ich wachte vom Meeresrauschen auf, und der Himmel wurde erst grau, dann rötlich, minutenlang leuchtend und blutrot, bevor er in ein volles Türkis überging.

Wir hatten uns Boards geliehen und liefen damit nach dem Frühstück zu einer kleinen, felsumrandeten Bucht hinunter. Es ist nicht besonders schwierig das Board hinaus zubringen, man liegt flach auf dem Brett und paddelt, wartet auf eine besonders kräftige Welle, und wenn man darauf ist, springt man mit einem Satz hoch und versucht das Gleichgewicht zu halten. Man kann das Board nur mit dem Körper steuern, jede falsche Bewegung kann einen aus der Welle hinaus treiben, das geht recht schnell.

Wenn man Pech hat, rutscht das Board unter den Füßen weg und man wird sofort nach unten gezogen, man fällt in das grünblaue, brodelnde Wasser und wird mitgerissen, die Fangleine, die am Knöchel festgeschnallt ist, hält einen ans Brett
gefesselt, und man muß so rasch wie möglich unter der Welle raus schwimmen, das Board wieder unter Kontrolle kriegen, bevor man hinab gedrückt wird.

Es stimmt, was die Leute sagen, man kann sich allzu leicht in Cofete verlieben, man verliert das Zeitgefühl, es wird Morgen und Mittag und Nacht, und jeder Tag ist heiß und trocken, sogar die Luft schmeckt salzig und man selbst beginnt ein Teil der Landschaft zu werden, Salz und Sand kleben auf der Haut. Man wird fast süchtig nach der vollendeten Vereinigung mit der Welle, die einen hoch hebt und hinaus trägt, dem Horizont entgegen. Man darf nicht aufhören, daran zu denken, daß man ans Ufer zurück muß, daß man nicht hier draußen bleiben darf, daß es gefährlich ist, zu lange draußen zu bleiben, denn sonst kommt man vielleicht nicht wieder zurück.

Das Licht ist dort transparenter als irgendwo sonst, das endlose Blau des Himmels, wie ein gespanntes Segel über dem Wasser.

Es soll Surfer gegeben haben, die ganz ruhig, mit einem Lächeln, hinaus geschwommen und immer weiter hinaus über die Wellen geglitten sind, bis dort draußen nur noch ein dunkler Punkt zu erkennen war und dann hat man nichts mehr von ihnen gesehen, nie mehr.





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