>Info zum Stichwort letxt | >diskutieren | >Permalink 
war nie besonders schön." schrieb am 29.3. 2001 um 20:38:52 Uhr über

letxt

Einsam im Club der digitalen Dichter

Das Internet ist eigentlich ein Textmedium. Trotzdem werden literarische Texte nur selten dafür geschrieben. Noch seltener werden sie gelesen.
Die digitalen Poeten aus Leidenschaft bleiben allein in ihrem Netz, anerkannte Autoren wollen am Ende doch lieber auf Papier gedruckt werden

»Ich lese Mark Leyner und Jean Baudrillard gleichzeitig, auf dem Schoß ein Exemplar von Wired, Hypertext von Carolyn Guyer auf dem Monitor, . . . während ich mir «Dirty» von Sonic Youth anhöre, ganz, ganz laut aufgedrehtMal abgesehen davon, dass man bei Musik von Sonic Youth eigentlich an nichts anderes mehr denken will - der Webpoet Lance Olsen scheint ein Meisterleser der Netzliteratur zu sein, der Gleichzeitigkeit nämlich, der multimedialen Interaktion und der nichtlinearen Erzählstrukturen.

Aber hat schon jemand etwas von Lance Olsen gehört? Oder gar gelesen? Rein ins Netz dichten viele, und auf zahlreichen Homepages wird vermeintlich Literarisches angepriesen. Eine Art digitaler Schriftstellerverband der tapferen Schreiberlein ist zum Beispiel der Internetliteratur-Webring www.bla2.de. Als neue Kunstform konnte sich die Netzliteratur bislang jedoch nicht etablieren.

Warum das so ist, wurde jetzt am Rande der Leipziger Buchmesse im Rahmen der »ersten leipziger hypertext mustermesse« (www.le-txt.de) mit Leidenschaft diskutiert. Als Zuhörer fühlte man sich dabei an die frühen 90er-Jahre erinnert. Schon damals fand eine rege Debatte über das junge Genre und eine intensive Suche nach einem neuen Literaturbegriff statt. Und auch in Leipzig wurde schnell klar: Bevor über die Qualität von Digi-Poesie gesprochen werden kann, muss eine Definition her.

Der erste Schritt leuchtet ein: Netzliteratur ist nicht einfach Literatur im Netz. Stephen King, der einen Roman kapitelweise ins Internet stellt, ist demnach kein Netzschriftsteller. »Netzliteratur muss etwas tun, was im Buch nicht geht«, erklärt der Literaturwissenschaftler Florian Cramer. Sie unterscheide sich in Form und Enstehungsprozess von druckbarer Literatur. Was er meint, lässt sich an seinem Textgenerator »Permutationen« unter http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/index.cgi überprüfen. Vorgefundene Texten bilden nach dem Zufallsprinzip neue Wort- und Buchstabenkombinationen. »Das ist ein hochinteressantes Stück Literatur«, findet er.

Spätestens jetzt stellt sich Verwirrung ein: Einerseits betonen die Netzliteraten ihre ästhetische Eigenständigkeit - andererseits wird die gebräuchliche Terminologie computergenerierter Textschnipsel angewendet. Auch Quelltexte, Netzwerkprotokolle und Computerviren lassen sich demnach unter diesen Literaturbegriff fassen. Oder Texte, die im Kollektiv entstehen - wo jeder zum Autor wird und ein bisschen mitschreiben darf.

JUTTA HEESS

pechlucky@taz.de


taz Nr. 6409 vom 29.3.2001, 258 Zeilen, JUTTA HEESS
http://www.taz.de/pt/2001/03/29.nf/isText.idx,1.ausg,is_200103



   User-Bewertung: +1
Unser Tipp: Schreibe lieber einen interessanten und ausführlichen Text anstatt viele kleine nichtssagende.

Dein Name:
Deine Assoziationen zu »letxt«:
Hier nichts eingeben, sonst wird der Text nicht gespeichert:
Hier das stehen lassen, sonst wird der Text nicht gespeichert:
 Konfiguration | Web-Blaster | Statistik | »letxt« | Hilfe | Startseite 
0.0120 (0.0066, 0.0040) sek. –– 825610812