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mcnep schrieb am 9.5. 2004 um 22:45:51 Uhr über

DerSagenumwobeneKelchderKotze410

»Ich lese aus Vergnügen. So lese ich trotzdem das, was von dem Ausstoß an alljährlicher Marktliteratur zugedeckt wird. Um aber mit Vergnügen lesen zu können, mußte ich mein Buchhändlersyndrom durchschauen,, die Zwangsvorstellung, jeden Kack lesen zu müssen, um drüber reden zu können. Ein fanatischer Sammler und auch Leser von deutscher Neuerscheinungsliteratur ist, zum Beispiel, Beitlich. Alle Scheiße, die von deutschen Autoren neu erscheint, wird von Beitlich gesammelt und durchgelesen, er ist wirklich eines der letzten Relikte des deutschen Jungbuchhandels mit seiner Bescheidwisserei. Den ganzen Kack stapelt er um sich auf. Jägersberg war zu Besuch und wollte ein bestimmtes Buch haben, er rief Beitlich an und sagte zu dem: «Dieses Buch liegt bei Schröder». Darauf Beitlich: «Der Schröder hat keine Bücher um sichDamit hat er Recht gehabt, ich habe wirklich keine Bücher um mich. In meiner Wohnung steht ein Regal, da stehen viele Bücher, aber ich baue mich nicht zwischen Bücher ein. Für den Bücherkonsumenten, für den Bescheidwisserleser, für den, der Bücher um sich haben muß, ist das alles nämlich ununterbrochene und undurchschaute Strafarbeit. Diese Sorte von Leuten kann selbst Literatur mit dem größten Irritationspotential nicht mehr verändern. Diese Leute erkennen sogar, wenn sie nicht doof sind, die Irritationsfaktoren – aber sie katalogisieren sie. Und damit nehmen sie sich die Chance, Konsequenzen aus bestimmten Büchern für ihre eigene Person in Anspruch zu nehmen. Und dann bauen sie, mit der Besessenheit von Sträflingen, immer mehr Bücher um sich auf. Wenn Beitlich mit einem Autor spricht oder auch mit einem Übersetzer oder wenn er mit irgendeinem spricht, der für ihn ein Kreativer ist, dann kniet er sich in den hinein, mit seiner Andeutungswitzelei, die auf unangenehme Weise keck wirkt. Dieses sich Reinschaffen in Autoren und in die Marktproduktion, diese ununterbrochene Strafarbeit mit Ernst und mit pissigen Witzchendas ist der deutsche Jungbuchhändler. Wobei man diesen Montanusmiezen Unrecht tut, denn die Tanten, die da einfach zackbumm Bücher in die Tüten donnern und die Kasse drücken, die sind, im Vergleich mit einem Beitlich, die edelsten Exemplare der Neubuchhändler, die sind ja wenigstens professionell. Beitlich: Ein Überbleibsel, ein letzter Reis des ehedem berühmten Sprosses des kulturgehorsamen deutschen Buchhandels, daher auch seine Attitüden des Informiertseins, seine lakaienhafte lächelnde Verbindlichkeit, dieses Einknicken in der Hüfte, dieses «Bücher um sich haben», dieses Autorenbeglotzen, diese abgekratzte Patina von dem, was er irgendwann meinte kapiert zu haben, was Buchhandel in Deutschland offensichtlich mal war, wie es sich zeigte in Leuten wie Josef Rieck oder dem Antiquar Corbet oder auch dem alten Nazi Bornemann bei Schrobsdorff. Aber: Das alles ist diesen Beitlichs auch angetan worden, das alles hat sich nicht von selber so ergeben, sondern das ist gemacht worden, und zwar von Prinzipalen und ihren Beitlichs, die sowohl ihren Angestellten als auch ihren Kunden mit diesen Kulturattitüden Sand in die Augen gestreut, Literatur chronisch als bloße Kulturtuckerei mit idiotischem Augenaufschlag angepriesen, und so ihre Geschäfte gemacht haben. Von dieser Prinzipalenwirtschaft her gesehen ist Beitlich ein Opfer des deutschen Buchhandels. Wäre der Bursche Verkäufer bei Peek & Cloppenburg geworden, dann wäre er, bei seinen Anlagen, vielleicht eine Person geworden, aber daß er ausgerechnet auch noch Bücher um sich hat, das hat ihn zu diesem Krüppel gemacht, den hat die deutsche Neuerscheinungsliteratur nun wirklich auf dem Gewissen. Es gibt nämlich auch Leute, die Literatur versauen kann. Und das hat den so unglücklich gemachtund dann fiel er, als wäre das noch nicht genug des Aberwitzes, ausgerechnet Schröder als dessen «rechte Hand» noch in die Finger

Ernst Herhaus/Jörg Schröder: Siegfried S. 248–249


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