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mität - das Faktum der Herrschaft im Innern der Macht. So laßt sich nämlich auf der anderen Seite beobachten, wie sich spätestens seit Anfang des 18. Jahrhunderts eine ganz andere Form zur Organisation und Durchdringung des sozialen und politischen Felds herausbildet. Hier geht es nicht mehr um politische Subjekte und Rechtspersonen, sondern um lebende Individuen und Bevölkerungen; nicht mehr um Rechtsvehältnisse. sondern um Leidenschaften, Interessen und Verhaltensweisen; nicht mehr um Politische Repräsentation, sondern um die Steuerung von Lebensituationen, von biologischen, medizinischen, sozialen, ökonomischen oder moralischen Milieus, nicht mehr um die Lokalisierung einer politischen Gründung, sondern um das Lokal einer politischen Steuerung. Es hat sich in fast allen europäischen Staaten seit Ende des 17. Jahrhunderts ein neuer Gegenstandsbereich des Politischen herausgebildet, der ein komplexes Verhältnis von Territorien, Bevölkerungen und Gütern umfaßt und Interventionen unterhalb des Rechts und der Gesetze einschließt. Das Politische' ist hier nicht mehr an die Reichweite des Vertraglichen und der rechtsförmigen Repräsentation gebunden, es entwirft sich vielmehr als ein Kräftefeld, das andere Beschreibungs- und Aktionsformen politischer Macht provoziert: eine politische Ökonomie, eine Bevölkerungspolitik, eine Gesundheitspolitik, eine Biopolitik usw. Es wird damit ein besonderes Regierungswissen erzeugt, das im 18. Jahrhundert den Titel Policey' bekommen hat und sich als Organ einer umfassenden politischen Sorge auf die Gesamtheit des physischen und moralischen Staatslebens bezieht. Diese Policey - so lautet es in zeitgenössischen Definitionen - ist die Erkenntnis, wie ein gegebener Zustand des Gemeinwesens erhalten, gehoben und verbessert werden kann; sie verzeichnet die Mittel zur Bewahrung und Mehrung der physischen und moraTischen Kräfte' eines Landes; und sie ist schließlich die Menge der aktuellen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um das gesamte Vermögen des Staates durch gute innerliche Verfassungen zu erhalten und zu vergrößern und der Republik alle innerliche Macht und Starke zu verleihen, deren sie nach ihrer Beschaffenheit nur immer fähig ist'. Die Policey bezieht sich
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also - kurz gesagt - auf die Forderung der individuellen und allgeineinen Wohlfahrt zur Stärkung des Staats Oberhaupt und nimmt dabei eine minutiöse Anordnung und Verteilung von Körpern, Fähigkeiten und Qualitäten vor. - Gerade diese Verdoppelung des politischen Körpers zwischen Vertragstheorie und Policey läßt sich nun ebenfalls als eine spezifische Antinomie des Politischen begreifen, in der bloße Steuerungsregeln und Rechtssätze miteinander um die Definitionsmacht politischer Regierung konkurrieren, einander ausschließen, überschneiden, verzahnen oder wechselseitig verstärken. Das Netz ökonoinischer und polizeilicher Regierungstechniken einerseits und das Gesetz der souveranität andererseits sind von nun an die beiden äußeren Grenzen der Macht und begründen das @Wohlfahrtsstaat-Probleni' moderner Gesellschaften - wie Michel Foucault das einmal genannt hat -, ein Problem, das eine feine Abstimmung zwischen der auf Rechtssubjekte ausgeübten POlitischen Macht und der auf lebendige Individuen bezogenen Disziplinarmacht verlangt: Die Grenze der polizeilichen Regulierung liegt im Recht, dessen Geltung selbst wiederum mit dem Appell an feinere Kontrollmechanismen begrenzt wird. Man konnte also sagen: Die politische Vernunft und das politische sind hier in einen Engpaß, in eine Falle zwischen Normen und Disziplinen einerseits und Gesetzesmacht andererseits geraten; es haben sich unterschiedliche Formen der Ordnung t und Ortung des politischen ergeben, die sich hier zu einer Ar aus, weglosen Zusammenarbeit verbunden haben. So sehr einander die Sätze des Rechts und die Festsetzungen der Polizei auszuschließen scheinen, so sehr bestimmen sie eine politik, die hier eine wechselseitige Einweisung des politischen vollzieht. Michel
Foucault hat das nicht zuletzt als Schwierigkeit beschrieben, er Emanzipation und Befreidas Politische noch in Begriffen d
ung denken zu können. Etwa am Beispiel der Sexualität: diese ist aus einem policeylichen' Kontroll- und Disziplinarwissen
vom Anfang des 19. Jahrhunderts hervorgegangen, und jede n des Gesetzes Berufung auf die Sexualität gegen die Schranke
läuft Gefahr, die Effekte jenes Disziplinarwissens zu verstärken. oder umgekehrt: So mag es etwa, schreibt Foucault, die politi125
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