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Freund, am 28.11. 2014 um 14:42:05 Uhr
Reitstiefel

Wenn wir nun zum eigentlichen Gegenstand unserer Abhandlung übergehen und nach den ältesten Nachrichten über das Bestehen einer höheren Lehranstalt zu Gmünd fragen, so wird zwar in einer Urkunde des Klosters Adelberg schon im Jahre 1295 (s. Pfaff, Versuch einer Geschichte des gelehrten Unterrichtswesens in Württemberg S. 8) ein rector scolarum Gamundiae genannt, allein damit ist uns bei dem Fehlen weiteren Materials nicht viel gedient. Das aber ist jedenfalls bewiesen, wenn wir die Angaben Pfaffs vergleichen, dass die Schule in Gmünd zu den ältesten des Landes gehört. Es ist durch eine Inschrift, die wir später mitteilen werden, festgestellt, dass für diese lat. Schule im Jahre 1578 ein Haus gebaut wurde. Ferner erwähnt die Debler’sche Chronik zum Jahre 1552 folgende Namen: Augustin Schirmer, lateinischer Schulmeister, Conrad Vitalis, Magister, Conrad Windeis, Cantor. Weiterhin sangen am Abend des hl. Karfreitags 1497, an welchem die beiden Türme der hiesigen Pfarrkirche einstürzten, nach dem Berichte, welchen Stadtschreiber Rudolf Holl im Auftrag des Magistrats über dieses Ereignis verfasste, „4 schuoller“ beim hl. Grab. Die Jeger’sche Chronik teilt sodann S. 199 eine Ordnung mit, „so in der lateinischen Schuel solle gehalten werden.“ Von dieser heisst es am Schluss: „Renoviert den 26ten Juny 1674.“ Da nun diese Schulordnung im Jahre 1674 nicht erst gegeben, sondern bloss erneuert wurde, so können wir auch daraus schliessen, dass die Anstalt schon vor diesem Jahr geraume Zeit bestanden haben muss. Das beweist auch ganz klar ein Ausdruck dieser Schulordnung selbst, wenn es heisst: „Zum Sechsten: Sollen die Schueler, wie von altershero etc.“ Da diese Schulordnung das älteste Aktenstück ist, welches über die lateinische Schule in Gmünd nähere Auskunft erteilt, so wird es wohl am Platze sein, dass wir sie im Wortlaut mitteilen. Dieselbe lautet also: „Erstlich solle ein jeder Praeceptor juxta Statuta Synodalia Professionem Catholicae fidei zue laisten schuldig und verbunden seyn. Am anderen: Solle er seinen Gottesdiensten, als göttl. Ämptern, Mettenen, Vespern und anderen, worzue er vom Pfarrherrn umb Gottes Ehr willen gemahnt wirdt, fleissig abwarthen und sich mit seinen Schuelern zue rechter Zeit darzue verfüegen. Drittens solle Herr Magister oder Cantor alle Sonn- und Feyrtäg durch das ganze Jahr, es wäre denn eine kalte Zeit, mit den Majoribus der Predig zuhören, die Minores aber underdessen bis zue Endt der Predig in die Schuel geführt und daselbst in geistlichen Sachen informirt und exercirt, auch gar keineswegs allein gelassen werden. Viertens sollen die Schueller an Sonn- und Feyrtägen bey des Präzeptors benandter Straf jeder sich in seiner Schuel vor Zwölf Uhren einstellen, welche dann sambtlich Processionaliter in die Kirch zur Kinderlehr geführt und vor verloffener Zeit nit sollen erlassen werden. Fürs fünfte sollen alle Schueler S. Petri Canisii Cathecismum zu lehrnen ernstlich adstringirt und angehalten und darauss pro cuiuscunque captu und Beschaffenheit einem jeden aufgeben und examinirt werden, woran sich der Magister gar keineswegs, es wollte gleich durch Eltern oder sonsten auf ein ander Weiss beschehen, sollen lassen hinderen. Zum Sechsten sollen die Schueler, wie von altershero, die gewisse Stunden sowohl in die Kirch als in die Schuelen zue gehen wohl und fleissig zu observieren, darzue alles Ernsts angehalten und denselben Einem oder mehr ihres Gefallens darein zu kommen oder gar ausszubleiben in kein weg gestattet, sondern die absentes observirt und abgestrafft, da dann, bevorab in der Kirchen silentium gehalten und für das unnütze Geschwätz die Scholares den Rosenkranz oder sonsten andächtig zue betten angewiesen und darauf insonderheit guete Achtung gegeben werden, wie sich ein jeder sowohl in der Kirchen als in der Schuel an Weiss und Gebärdten verhalte. Am Sibenden solle bey den Scholaribus auch all ärgerliche Spiehl, hin- und wider vagiren, scheuliche Harlöckh und was etwan sonsten zur Eitelkeit und Hoffahrt gereichen mag, gänzlich abgeschafft und gar keineswegs zugelassen seyn. Zum achten sollen sowohl der Magister als Cantor fleissig ob der Morgen- und anderen Schuelen halten, die Scholares zue derselben merklichem Schaden und Verabsaumbung vor der Zeit nit dimittiren, vil weniger nach Gefallen denenselben recreation geben. Neuntens solle in der Schuel ein certus modus docendi gehalten und die Jugendt in Regulis Rudimentorum, grammatices et Syntaxeos täglich underwisen, exercirt und examinirt werden. Zum Zehenden solle sich der Magister dahin befleissen, dass er seine teutsche argumenta latine vertenda über solche regulas formire, in denselben auch keine zue schwere terminos, sententias oder historias, so die Jugendt noch nit fassen oder verstehen kann, gebrauchen, sondern sich in allweg ad puerorum captum dimittiren und denselben allwege im AffterMontag und Mittwochen ein thema pro cuiusque qualitate vicissim solute vel ligate ex tempore zu componiren ad calamum dictiren. Fürs eilfte sollen alle Freytag und etwan am Sambstag Lectiones hebdomadales repetirt und darneben Lectio Catechistica gehalten, auch am Montag, Donnerstag und Sambstag nach vollendeter Nachmittagschuel Cantus tam choralis quam figuralis exercirt werden. Zum Zwölften, damit denen Knaben sich ab der Gassen anheimbs zu halten und zue studieren desto mehr Ursach geben werde, so solle der Praezeptor denselben zum öftern scriptiones über Nacht zu vertiren und morgens zu demonstriren nacher Haus geben. Am Dreyzehnden solle aufs wenigst in der Wochen einmal ein Disputation gehalten werden und singulis mensibus pro loco ein Argument vertirt werden. Zum Vierzehnden solle der Magister oder Cantor an Festtägen sich mit Aufsuchung der Gesang er zeitlich befleissen und damit gefasst halten, auch die Musicos Extraordinarios bisweilen ersuchen und etwann einstehenden Mangel sich umb Gesängbücher umbsehen. Fünfzehendens, so ist auch Veneris den 22ten Junij dies Jahr in Consilio decretirt, wan ein Feyrtag in der Wochen, dass selbige Wochen gar kein Vacanz oder Urlaub solle gegeben werden, einmassen auch in den Bestallungen begriffen, und dass an allen Sambstägen und Feyrabenden man nachmittags umb 12 Uhren fleissig in der Schuel seyn und darinnen bis 2 Uhr verbleiben, zumal auch den Schuelknaben alles Ernsts von Herrn Praeceptore und Cantore anbefohlen werden solle, dass sie ihre Lectiones zu Haus anheimbs und nit erst in der Schuel lernen, und sollen insonderheit auch Herr Praeceptor und Cantor ihnen angelegen seyn lassen, dass die Knaben am morgens umb 6 Uhr fleissig in der Schuel erscheinen. Renoviert den 26ten Juny 1674.“


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