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Bria schrieb am 4.2. 2018 um 10:12:24 Uhr über

Guajira

Heute Nacht war die Stimmung im Roadhouse ausgelassener als sonst. Für mich nicht angenehmer. Mit Drogen (Kaliba), so kommt es mir vor, wird neuerdings freizügiger umgegangen.

Sitze an einem stillen Platz, am Tresen Coco ist todmüde, trotzdem bringt sie noch alles in Ordnung. Toto lange schon zu Bett, ist doch eigentlich der Chef hier, die letzten Gäste auf der Veranda draußen, ich muss fast jeden zweiten Buchstaben korrigieren.
Leon ist in seiner Hängematte eingeschlafen (er hat eine Hängematte nur für sich reserviert).

Leon hat heute Nacht mich »liebe Genossin« genannt. Tatsache. Dass er aus Berlin kommt, ist mir nach & nach klar geworden, Berliner erkennen sich immer irgendwie, aber er kommt aus dem Osten. Osten also. Dazu kommt, dass er einer von den Privilegierten ist, die im fernen Osten des Reiches ihre Privilegien genießen durften. Dort muss er auch irgendwie den Nuo Líng kennengelernt haben.
Dass Nuo Líng so ein Vertrauen zu ihm hat.
Dazu fällt mir ein, dass Leon überhaupt hierzulande großes Vertrauen genießt. War ich doch mit meinem Pass in Barranquilla auf der Behörde wegen dem Gesundheitsattest. Mit Toto in seinem Cadillac. Er musste seinen Betrieb, das Roadhouse nämlich, auf einen neuen Besitzer ummelden. Abmelden, Ummelden, irgend so Behördenkram. Seine Papiere und mein Pass steckten in einem großen Umschlag, auf den Umschlag war eine große Visitenkarte geheftet. Wir kommen also an, da stehen Leute Schlange vor diesem Amtsgebäude. Innen geht eine Treppe hoch, auch auf der Treppe eine Schlange und nichts bewegt sich. Da ist aber ein Pförtner, bei dem man eine Nummer ziehen kann. Wir also hin und Toto drückt ihm gleich den Umschlag in die Hand.
Der schließt erst einmal die Klappe und stellt ein Schild »temporalmente cerrado« hin. Kommt heraus, hält voll Ehrfurcht den Umschlag in der Hand und geht rüber zum Aufzug. Den schließt er auf und bittet uns hinein.
Oben öffnet er eine Tür, natürlich (aha, in »natürlich« steckt »Tür«) steht an der Tür »admisión prohibida«. Ein Warteraum, leer, muffig, für very important persons wie wir.

Wir setzen uns. Probieren vergeblich, das Fenster zu öffnen. Warten. Toto wird ärgerlich, er sagt: sitzen wir denn hier in Untersuchungshaft?
Da kommt der Pförtner wieder (die armen Antragsteller, die sich inzwischen vor seiner Bude unten versammelt haben) und gibt uns den Umschlag zurück. Alles erledigt. Ungläubig zieht Toto seine Papiere, ziehe ich meinen Pass hervor. Alles gestempelt und beglaubigt. In meinem Pass das Papier, das mir vollkommene, jedenfalls hinreichende Gesundheit attestiert.

An den Umschlag ist immer noch die Visitenkarte geheftet, die schlicht mit zwei Worten bedruckt ist:

L i o n H u g

Dazu handschriftlich, in kleinen, aber sehr deutlichen Buchstaben:
»Ich hoffe, Sie haben mich noch - wie ich Sie - in freundlicher Erinnerung, und darf Sie um rasche Erledigung bitten. Mit Dank und kollegialem Gruß«
... und Unterschrift.



04:12:10 COT



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