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tootsie schrieb am 5.3. 2010 um 00:04:00 Uhr über

Sternwarte

Ich gehöre zu den wenigen Nerds, die Astronomie auch in der elften und zwölften Klasse belegt haben. Das lag daran, dass mich der Sternenhimmel fasziniert, seit dem ich denken kann. Angefangen hat alles mit der Behauptung meiner Mutter, Sterne seien weit entfernte Sonnen. Damals war ich vier, und ihre Bemerkung zählt zu meinen ersten Erinnerungen.

Als mein Vater mal in den Westen reisen durfte, hat mich sein nächtliches Rumoren geweckt. Ich saß am Fenster und entdeckte einen Stern, der sich zwischen anderen Sternen bewegte. Da gab es kein Halten mehr. Auf mein Fragen hin meinte Mutter, ich hätte wohl einen Meteor gesehen. Heute weiß ich, dass es ein Satellit gewesen wein muss.

Irgendein Onkel hatte mir einen Teleskop-Bausatz geschenkt, lange bevor ich laufen konnte. Die Schachtel stand im elterlichen Schlafzimmer und war bis dahin meinem Zugriff entzogen. Nach meinem Erlebnis am Fenster baute ich das kleine Fernrohr und machte meine ersten Beobachtungen. Die Linsen waren aus Kunststoff, und die Venus verwandelte sich in einen Regenbogen. Für Mondbeobachtungen hat das kleine Teleskop allerdings genügt, und der bunte Kranz aus gebrochenem Licht störte nicht weiter. In kurzer Zeit verschlang ich zahllose Bücher über Astronomie und bestimmte meinen Platz im Universum.

Rodewisch hat eine Sternwarte, und dort fand der Astronomieunterricht statt. Mir konnte Ruhnow, der Astro-Lehrer, kaum Neues erzählen. Ich bekam aber ernste Probleme, als wir dann am Computer mir IDRISI arbeiten mussten. Das lag daran, dass ich einen Computer nicht bedienen konnte... Wir sollten in kleine Gruppen Satellitenfotos in verschiedenen Wellenlängen ausgewerten und das Wachstum der Stadt Plauen verfolgen.

Ich bedauere, dass ich - aller Begeisterung zum Trotz - nie die Gelegenheit hatte, durch das große Spiegelteleskop zu schauen!

Einen Abend haben wir aber tatsächlich in der Sternwarte verbracht - es handelte sich um Pressetermin. Wir sollten in den Himmel blicken, einen Finger nach dem Firmamant ausstrecken und so tun, als sähen wir die ISS und die Raumfähre, die ein neues Bauteil in den Orbit brachte. Auf den Fotos gucken wir begeistert nach oben, aber jeder schaut in eine andere Richtung.

Ruhnow starb wenige Wochen später. Ein Infarkt, ein Schlaganfall und ein Koma, aus dem er nie erwacht ist. Wir waren traurig und bestürzt. Er war einer von denen, die das Signal des Sputnik aufgefangen hatten und seine Bahn verfolgten, kaum, dass die kleine Blechkugel um die Erde kreiste. Er war ein echter Pionier und ein unscheinbarer Held für mich und die anderen Astronomie-Fans. Der Name dieses kleinen, barschen Mannes ist für mich untrennbar mit dem Begriff »Sternwarte« verbunden.




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