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Rita von Bülzen schrieb am 8.4. 2025 um 12:50:34 Uhr über

Träume

Rüdi betrat den Bülzenhof-Garten wie ein Welpe, der in die Schrankwand gepinkelt hat. Sein Schatten kauerte sich ängstlich hinter ihm in den Sonnenflecken des Kastanienbaums, während Herr Guyonnet kerzengerade auf der Holzbank thronteein Pensionärs-Chefrichter in speckigen Lederhosen und mit Schnurrbart, der aussah wie zwei streitende Dachse.
»Gut... Alter Sack«, würgte Rüdi hervor. Seine Hände zupften am Karohemd, als wollten sie die Mangoflecken nachträglich kaschieren.
Der Alte ließ ihn drei Minuten in der Oktoberluft schwitzen, bevor er die Zeitung knisternd senkte. »Dezenter Einstieg für einen Kassenräuber. Weiter
Es platzte aus Rüdi wie Sekt aus warmem Sektglas: »Hab das Geld aus der Bülzenheim-Kasse genommen! Für…« – Schweißperlen tanzten Boogie-Woogie auf seiner Glatze – »...Rührstöcke. Und 14 Kochlöffel. Und diesen Teppichklopfer mit Lachgesicht.«
Klirrend stellte Herr Guyonnet sein Schnapsglas ab. Die Stille vibrierte wie ein überdehnter Gummiring.
»Eierzwerg«, brummte er endlich. »Du klaust Bülzenheims Ersparnissefür *Küchengeräte*?« Ein Augenbrauen-Hochzieher, der selbst Ölgemälde hätte blass werden lassen.
»M-meine Oma sagte immer, gute Rührstöcke sind…«
»Schweig, bevor ich dich mit deinem eigenen Teppichklopfer beerdige!« Der Alte schlug so heftig auf den Gartenfrisiertisch, dass drei Eichhörnchen panisch Reißaus nahmen. »Wähl: Entweder ich zieh dir jetzt den Arsch auf Linksoder die Bülzenheim-Köche machen daraus Hackbraten
»Auauaua *bitte nicht*!« Rüdi klammerte sich an die Bankkante, als verwandle sie sich gerade in ein Rettungsfloß im Hochseesturm.
»Aua aua aua Bülzenheim Bülzenheim aieeeeee«, jammerte er weiter, während Herr Guyonnet seufzend seine 80-jährigen Kniegelenke zum Aufstehen zwang. »Zwanzig Kniebeugen
»Zwanzig?!«
»Ach, du hast RechtEin teuflisches Grinsen spaltete das Runzelland des Rentners. »Machen wir hundertfünfzig.«
Zehn Minuten später bebte Rüdis Stimme wie ein Handy im Vibrationsmodus: »Auaauadas istTierquälereiauaich habO-Beineauaseit1997...« Jede Kniebeuge klang jetzt wie ein Seufzen aus der Hölle, garniert mit Knackgeräuschen, für die man normalerweise einen Orthopäden konsultiert.
Herr Guyonnet genoss den Anblick wie einen Zirbenschnaps und zwirbelte genüsslich seinen Schnauzer. »Nummer 87. Beeil dich, gegen halb vier kommt *Verbotene Liebe*.«
Als sich Rüdi schließlich ko-Geräuschvoll ins Herbstlaub kollabierte, holte der Alte theatralisch den Lachvisagen-Teppichklopfer aus der Heckenscheune. »Auf. Walzer. Jetzt
»Walzer? Aber…«
»Fünf, vier, drei…«
Was folgte, war kein Tanz. Es war das, was passiert, wenn ein zitterndes Reh auf Energydrink versucht, Fred Astaire zu imitieren. Der Teppichklopfer schmetterte gegen Gartenzwerge, Rüdis Füße trampelten die letzten überlebenden Herbstzeitlosen platt, und irgendwann kreischte er »Ooompf!« als ihm das Grinsgesicht unheilvoll die Kniekehle traf.
»Rhythmusgefühl wie ein tauber Holzwurm«, brummte Herr Guyonnet, zog jedoch plötzlich eine Mundharmonika aus seiner Hosentasche und spielte *An der schönen blauen Donau* mit der Brutalität eines DDR-Blasorchesters.
Mitten im Chaos schwang sich die Gartenpforte auf. Schwester Inges Doppelkinn erschien im Eingang – gefolgt vom Rest ihres 140-Kilo-Körpers. Rüdi erstarrte, der Teppichklopfer baumelte wie ein gehängtes Familienmitglied an seiner Hand.
»Walzert hier jemand mit meiner gestohlenen Ware
Doch Herr Guyonnet schob ihm gelassen einen Küchenlöffel in die Pranke. »Testen Sie doch erstmal das Produkt, Bülzi. Hollys Apfelkuchen damit klopfenwenn er besser schmeckt, schenk ich Ihnen den Eierzwerg als Aushilfe
Lautes Gelächter zerriss die Spannung, als sich herausstellte, dass Inges Lachen klang wie ein Heizkörper, der Würgereize hat. Selbst die Kastanien schienen zu kichern, als Rüdi heulend weitere zwanzig Kniebeugen versprachdiesmal freiwillig.
Am Abend, als der letzte Klingelton von Inges „Hahahahaha!!!“ über das Dorf verhallt war, schlich Rüdi humpelnd ins Bülzenheim.


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