Synästhesie

Die Zahl 515 ist das kaum hörbare Winseln eines sehr gut erzogenen Hundes. Es kann auch das Keuchen dieses Hundes sein, der in großer Ferne nachts vorüberrast. Dabei ein vages Nordlicht und genau der Geruch, mit dem sich das noch ferne Meer dem Ankömmling bewußt macht.

Das letzte Rot eines Feuerwerk-Funkens, alter Jazz in einem Autoradio mit schlechtem Empfang, Geruch nach verbranntem Gummi - das ist die Zahl 45.

eine freundin von mir ist synästhetikerin. wenn sie die stimme unserer mathelehrerin hört, dann hat sie den geschmack von alten in wasser aufgeweichten semmeln im mund. und ich als normalsterbliche brauche jahre, bis ich begründen kann, warum sich mir bei der stimme der magen umdreht!

Ein in der Ferne blinkendes Blaulicht, der lang anhaltende Ton einer gestopften Trompete, der metallische Geruch beim Schweißen - das ist die Zahl 44.

ich habe eine faszinierende entdeckung gemacht. leibnitz butterkekse schmecken hell kupfer-farbig, birnen-joghurt schmeckt gelb-orange und fühlt sich an wie warmer stein. zusammen gegessen schmeckt es apricot-lachsfarben und fühlt sich an wie leichtigkeit, von der einem beinahe schwindlig wird.

Die Zahl 10 ist die Farbe dunkelbrauner Lederhandschuhe, der Geruch fauliger Äpfel und kein Ton außer einem schwachen Kassen-Klingeln.

Die Zahl 33 ist kräftig rosa. Heißer Pfannkuchen-Geruch. Ton ist das Kreischen einer fröhlichen dicken Frau.

»vielleicht« ist ein graues, aber sehr helles lila, als ob es darauf regnen würde, deshalb bezeichne ich es auch gerne als »regenlila«. »vielleicht« fühlt sich wie ein lauwarmer sehr leichter wind an; es hört sich an wie ein einzelner ton einer violine im rauschen von blumen. es ist ein schlön, ich benutze es oft. aber es ist ein sehr einsames wort.

Die Zahl 9 ist kometengrün. Kometengrün ist die Farbe der Zahl 9 - anders kann ich die Farbe nicht beschreiben. Kometengrün klingt wie das ferne Zwitschern eines kleinen Vogel am frühen Morgen.
9 beißt in der Nase wie Pfeffer.

»persönlichkeit« schreibe ich immer mit h. also »persöhnlichkeit«. ohne h ist es ockerfarben und klingt, riecht oder schmeckt nicht.
mit h ist es orange, gelb und weiß, das ineinander übergeht. fast batik. es klingt wie kieselsteine, die auf ein blatt papier fallen und riecht ein bisschen nach safran.
ich habe versucht, das meinem deutsch-lehrer zu erklären. er fand die beschreibung toll, wertet aber mein »persöhnliches h« trotzdem jedesmal als fehler...