Das Gute ist das Gute. Und das sollte unangefochten stehen bleiben. Wenn Moral noch Moral und Ethik noch Ethik sein soll.
Es sei denn, man nimmt für sich eine „sympathy for the devil“ in Anspruch..
Vielleicht meint man aber auch etwas anderes, nämlich das, was man durchaus unter eine „dialektische Wirkungsweise“ gesellschaftlicher Prozesse subsumieren kann:
"[Ich bin] Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft."(Goethe: Faust)
& vice versa. ;-)
Ein Link bezieht sich auf die erstmalige Verwendung der äußeren Sprachform des Begriffs »Gutmensch«. Weder der Hinweis auf die amerikanische Zeitschrift (ohnehin nicht schlüssig) noch jener auf Bittermann vermögen die Hinweise auf die Quelle, die Geburtsstunde der Pejoration dieser Wortverbindung, zu relativieren.
Dadurch, daß ein zu beugendes Adjektiv ungebeugt mit einem Substantiv eine „Komposition“ eingeht, wird doch nicht der überlieferte semantische Gehalt der Abwertung entscheidend verändert. Im übrigen sehe ich hier eher eine bescheidene Analogiebildung in den 90er Jahren aus: „Lachmenschen und Nettleute“ der Punkgruppen um Peter Hein (80er Jahre bereits).
Ein Hinweis, der dort nicht zu finden ist, den ich also eigentlich der »Gesellschaft für deutsche Sprache« geben sollte. Vielleicht fallen da auch einige Royalties für mich ab. ;-)
Wesentlicher erscheint mir die Quelle, die nicht auf die Sprachform, sondern auf die Semantik dieses Begriffes verweist, nämlich darauf, woher der pejorative Gehalt dieses Begriffs („guter Mensch“) stammt: Der Deutsche Journalisten-Verband weist in Zusammenarbeit mit Sprachforschern auf eine NS-semantische Herkunft des Begriffes hin. Demnach wurde die Bezeichnung „Gutmensch“ bereits in der Zeit des Nationalsozialismus für die Anhänger von Kardinal Graf von Galen, die gegen die Euthanasie auftraten, verwendet. Ungeklärt sei dabei, ob der Begriff 1941 von Joseph Goebbels selbst, oder einem Redakteur der nationalsozialistischen Zeitung »Der Stürmer« stammte. „Gutmensch“ war eine Ableitung vom jiddischen „a gutt Mensch“. Der DJV verweist auf Adolf Hitler, der in seinen Reden und seinem Buch „Mein Kampf“ die Vorsilbe gut wiederholt in abwertendem Zusammenhang verwendet hatte. So waren für ihn gutmeinende und gutmütige Menschen diejenigen, die den Feinden des deutschen Volkes in die Hände spielten.
(Jürgen Hoppe/Deutscher Journalisten-Verband: Memorandum zur „Initiative Journalisten gegen Rassismus“, 27. März 2006)
Ist dieser Zusammenhang nun einmal festgestellt, sollte jeder, der diesen Begriff weiterhin verwendet, sich selbst fragen, ob er in die geistige Nähe dieser Pejoration (nolens volens) gerückt werden soll.
Sollte dieser etymologische Hinweis nicht ausreichen, vielleicht schafft dieser Kommentar aus der »ZEIT« Einsicht:
"Wörterbericht - Gutmensch
Warum ist der „Gutmensch“ eigentlich ein Schimpfwort? Zu Zeiten Goethes, als noch Maximen Mode waren wie „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“, hätte man das Wort als Tautologie empfunden.
Heute gilt Gutsein als peinlich, so uncool wie Lichterketten, so von vorgestern wie die Verteidigung einer aufgeklärten Moral und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Da darf uns die popkulturelle Konjunktur der Globalisierungskritik nicht täuschen. Daß der „Gutmensch“, aus der politischen Rhetorik stammend, sich in der Alltagssprache niedergelassen hat, kann als Triumph antihumanistischen Denkens gelten. Die Häme über den guten Menschen beginnt bei Nietzsche, der Neologismus stammt aus dem „Stürmer“, Kampfbegriff ist er für die Neue Rechte, und salonfähig wurde er durch die 68er Kritik im Stil von Klaus Bittermanns „Wörterbuch des Gutmenschen“. Die Verachtung, die das Wort ausdrückt, und die Geläufigkeit, mit der es verwendet wird, legen den Verdacht nahe: Als gut gilt jetzt ungut. Und unser neues Ideal ist Gottfried Benns „Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch.“ (Evelyn Finger; DIE ZEIT 26.07.07, S. 31)
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