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Diskursethik

Diskursethik

Als Diskursethik bezeichnet man alle ethischen Theorien, deren zentrales ethisches Kriterium der Diskurs ist. Diskursethik beinhaltet eine kognitivistische Metaethik. Im deutschsprachigen Raum wird die Diskursethik von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas vertreten.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]
1 Ansatz der Diskursethik
2 Kritik an der Diskursethik
3 Quellen
4 Literatur
4.1 Primärwerke
4.2 Sekundärliteratur
5 Weblinks

Ansatz der Diskursethik [Bearbeiten]
Die Diskursethik versucht daslogische Trilemma“ zu überwinden, nach dem man bei jedem Versuch einer formallogischen Letztbegründung entweder in einen unendlichen Regress oder in einen logischen Zirkel gerät oder den Begründungsprozess abbrechen muss, da man an einer Stelle bestimmte Prämissen dogmatisch setzen muss. Die Überwindung dieses Problems versucht die Diskursethik zu leisten, indem sie zunächst eine philosophische Letztbegründung nicht mit formallogischer Deduktion, sondern mit der Reflexion auf die subjektiv-intersubjektiven Bedingungen der Möglichkeit intersubjektiv gültiger Argumentation[1] gleichsetzt und damit als Basis ihrer Ethik den Diskurs als einen Austausch von Argumenten oder guten Gründen mit dem Ziel der Verständigung ansieht. Nicht ohne pragmatischen Selbstwiderspruch bestreitbar ist damit die normative Voraussetzung eines Diskurses, nämlich die wechselseitige Anerkennung der Menschen als mündige Personen, zwischen denen eine vernünftige Verständigung grundsätzlich möglich ist. Das Moralprinzip wird damit reflexiv aufgedeckt als etwas, was notwendig und unhintergehbar von jedem anerkannt ist.

Die zentralen Prinzipien der Diskursethik, die sich so begründen lassen sollen, lauten:

Jede gültige Norm muß der Bedingung genügen, daß die Folgen und Nebenfolgen, die sich aus der allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert werden können.“

Jürgen Habermas: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln

Der „diskursethische Grundsatzlautet etwas allgemeiner, „daß nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“.[2]

Habermas hatte ursprünglich einen realen Konsens im Auge, verfocht aber später den Konsens als Ideal, da sich reale Konsense über ethische Fragen nirgends einstellten.

Apel unterscheidet eine A-Ethik in einem Weltzustand, indem alle herrschaftsfrei mitdiskutieren können, und eine B-Ethik für die weniger ideale Welt. Die B-Ethik besteht darin, die Bedingungen für die A-Ethik zu schaffen. In der A-Ethik darf man nur frei und ernsthaft diskutieren, unter den B-Bedingungen aber auch täuschen und irreführen, um den A-Zustand zu erreichen.

Peter Ulrich gründet seine Integrative Wirtschaftsethik als eine Form der Wirtschaftsethik auf dem Konzept der Diskursethik. Er und einige andere jüngere Autoren haben versucht, die ursprünglichen Konzeptionen von Apel und Habermas weiterzuentwickeln und zur Bearbeitung von Themen angewandter Ethik einzusetzen.[3]

Kritik an der Diskursethik [Bearbeiten]
Die Teilnahme am Diskurs setze nur die zeitlich begrenzte Anerkennung der anderen Teilnehmer voraus, aus der sich nicht die immerwährende Anerkennung aller Menschen ergäbe. Selbst auf die Anerkennung der anderen Mitdiskutierer könne verzichtet werden, wenn z. B. Platon vor Dionysios philosophisch begründen soll, ob er getötet, versklavt oder freigelassen wird.

Beim praktischen Diskurs darf jeder alle seine Präferenzen mit einbringen, also auch böse Präferenzen nach Folter und Mord. Diese würden auch nicht durchgängig durch Perspektivwechsel aufgewogen.[4]

Die Diskursethik missachte den Machtaspekt, der in jedem Diskurs irreduzibel vorhanden ist, und sich durch Phänomene wie Dazwischenreden oder dem Verlassen des Diskurses zeigt. Einen herrschaftsfreien Diskurs gebe es gar nicht. Auch die Regulierung der Sprechreihenfolge ist institutionalisierte Machtausübung und -verteilung.

Apels A-Ethik sei obsolet, da ihre Voraussetzung prinzipiell nicht herstellbar ist. Der mit ihr begründete Anspruch auf strategisches Handeln in der B-Ethik führe zu einer selbstgerechten Haltung, die den tatsächlichen Chancen auf kommunikative Verständigung sogar eher entgegensteht.

Quellen [Bearbeiten]
1.↑ Karl-Otto Apel: Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral
2.↑ Jürgen Habermas: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln.
3.↑ Werner 2002; ausführlich auch Gottschalk-Mazouz 2000.
4.↑ Uwe Steinhoff, Kritik der kommunikativen Rationalität. Eine Gesamtdarstellung und Analyse der kommunikationstheoretischen jüngeren Kritischen Theorie, Inaugural-Dissertation, Phil. Fak. III der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, 2001 Marsberg
Literatur [Bearbeiten]
Primärwerke [Bearbeiten]
Karl-Otto Apel: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und die Grundlagen der Ethik: Zum Problem einer rationalen Begründung der Ethik im Zeitalter der Wissenschaft. In: Ders.: Transformation der Philosophie. Frankfurt a. M. 1973, Bd. 2, S. 358-435 (Orig.: 1972).
Karl-Otto Apel: Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988
Jürgen Habermas: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983.
Jürgen Habermas: Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1991.
Vittorio Hösle: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. München: C. H. Beck, 1990
Wolfgang Kuhlmann: Reflexive Letztbegründung. Untersuchungen zur Transzendentalpragmatik. Freiburg/München: Alber, 1985.
Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. 2. durchgesehene Auflage. Bern/Stuttgart/Wien: Paul Haupt, 1998.
Sekundärliteratur [Bearbeiten]
Niels Gottschalk-Mazouz: Diskursethik. Theorien - Entwicklungen - Perspektiven, Berlin: Akademie-Verlag 2000, ISBN 978-3-05-003574-1
Niels Gottschalk-Mazouz (Hg.): Perspektiven der Diskursethik. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2004
Marcel Niquet/Francisco J. Herrero/Michael Hanke (Hgg.): Diskursethik. Grundlegungen und Anwendungen. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001.
Gerhard Schönrich: Bei Gelegenheit Diskurs. Von den Grenzen der Diskursethik und dem Preis der Letztbegründung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994. (stw; 1111) ISBN 3-518-28711-7
Uwe Steinhoff: Kritik der kommunikativen Rationalität. Eine Darstellung und Kritik der kommunikationstheoretischen Philosophie von Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel. Paderborn: Mentis, 2006. ISBN 3-89785-473-2
Micha H. Werner: Diskursethik, in: Düwell, Marcus/Hübenthal, Christoph/Werner, Micha H. (Hgg.): Handbuch Ethik. Stuttgart: J. B. Metzler, 2006, S. 140-151. ISBN 3-476-02124-6
Weblinks [Bearbeiten]
Literatur über Diskursethik in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV
Niels Gottschalk-Mazouz: Diskursethische Varianten In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Nr. 1 (2002), S. 87-104 (PDF-Datei; 73 kB)
Anke Graneß: Der Konsensbegriff. Ein Vergleich der Bedeutung des Konsensbegriffs in Wiredus Konsensethik und der Diskursethik von Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas
Micha H. Werner: Diskursethik In: Düwell, Marcus / Hübenthal, Christoph / Werner, Micha H. (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart 2006; Weimar: J. B. Metzler, S. 140-151
Vonhttp://de.wikipedia.org/wiki/Diskursethik
Kategorien: Diskurstheorie | Diskursanalyse | Jürgen Habermas | Ethische Theorie


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