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namensindschallundrauch@der-nachtmensch.de schrieb am 7.1. 2004 um 21:30:16 Uhr über

Menschenhass

Viele Menschen haben Angst vor Menschen. Sie leiden unter Anthropophobie.
Nicht zu verwechseln mit der »Anthophrobie«, der Angst vor Blumen.
Ich habe keine Angst vor Menschen. Ich leide an ausgeprägtem Hass auf
Menschen.
Kleinigkeiten wie Bahnfahren oder Einkaufen werden zur Tortour.
Überall Menschen, über die ich mich ärgern muß. Murphys Gesetz lässt
sich mit selektiver Wahrnehmung erklären, habe ich mich belehren lassen.
Und bin darauf hin gestern ganz gelassen in aller Ruhe einkaufen
gegangen.
Dass die nette alte Dame vor mir den letzten Einkaufswagen erwischt hat
störte mich auch nur so lange, bis ich entdeckte, dass ich auch gar kein
Kleingeld für die Pfandmünze hatte.
Manchmal glaube ich, alle Rentner, die ja passionsbedingte Frühaufsteher
sind, warten den ganzen langen Tag zuhause, vielleicht mit ihrem Kissen
an der Fensterbank, um dann kurz vor Ladenschluss in die Geschäfte zu
stürmen. Ein Klischee, denke ich mir.
Genau so wie das, dass Rentner immer mitten im Gang stehen und sich
unterhalten. Oder abrupt stehenbleiben. Oder mit meinem Einkaufswagen
weiter durch das Geschäft dümpeln, weil sie ihn verwechselt haben.
Gut, dass ich heute keinen habe, denke ich mir.
Mühsam klaube ich meine sieben Sachen zusammen und trage sie, wie
ein Baby vor mir, an der Brust.
Ich erreiche die Kassen, stelle mich an der kürzesten Schlange an und
beobachte mit mildem Lächeln diejenigen, die wie auf der Autobahn im
Stau versuchen durch häufiges wechseln der Spur, bzw. der Schlange
schneller voranzukommen. Erwiesen, dass das überhaupt nichts bringt.
Aber der Student hinter mir versucht es trotzdem.
Nur bei mir geht es nicht voran, ein kurzer Blick nach vorne verrät mir,
dass der Versuch mit einer EC-Karte zu zahlen gerade schief geht.
An der Kasse neben mir sehe ich die nette alte Dame mit meinem potentiellen
Einkaufswagen anstehen, ein Salatkopf ist ihr ganzer Einkauf.
Gut, dass sie einen Wagen genommen hat, denke ich mir.
Nur noch zwei Personen vor mir, ein Mädchen mit nur einer Tüte Chips und
eine ältere Dame, Marke warten-sie-ich-hab-es-passend , die in
ihrer Geldbörse kramt, jeden Cent einzeln herauslegend, bis sie sich
entschliesst, doch mit einem großen Schein zu zahlen. Gerne.
Ein junger Mann mit randvoll gefülltem Einkaufswagen kommt direkt auf mich
zu. Wie gut für mich, dass der nicht vor mir in der Schlange steht...
Wie gut für ihn, dass seine Freundin vor mir in der Schlange steht...
Zielstrebig bugsieren die beiden ihre wir-haben-sturmfrei-Ladung vor mich,
während nebenan eine neue Kasse aufmacht, zu der alle stürmen.
In der Ferne sehe ich den Student, der hinter mir anstand, das Geschäft
verlassen, hinter ihm die Dame mit dem Salatkopf.
Dass so etwas immer mir passiert, wäre jetzt eine selektive und fehlgeleitete
Interpretation, denke ich mir.
Endlich hat das junge Pärchen vor mir bezahlt. Reichlich entnervt aber
mit jetzt-wird-alles-gut-Miene begrüsse ich die Kassiererin. Und wie
durch eine Wolke, die nur von ihrem eisigen Blick durchbohrt wird, höre ich:
»Moment, ich muß erst den Bon wechseln



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