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Phoebe Sengers
ihm ein paar Verhaltensbeschränktheiten. Da nun rein rationales Handeln nicht mehr erwartet wurde und das Problem der mentalen Repräsentation keine Rolle mehr spielte, eröffneten sich dem künstlichen Subjekt zunächst ganz neue Blickwinkel. Gegen Schizophrenie allerdings half es nicht. Um den Zwängen der reinen Vernunft zu entkommen, folgten die Anwender der alternativen KI, vermutlich eher unwissentlich, dem damals letzten Schrei des postmodernen Denkens und definierten Schizophrenie einfach als normalen Bestandteil des menschlichen Lebens. Statt als Nebenwirkung nur erduldet, wurden Spaltungen gezielt einkalkuliert und der Maschine eingebaut. je eigener, unabhängiger (und damit vom Kontext abgespaltener) das Verhalten des künstlichen Subjekts war, je weniger Spuren des alten kartesianischen Egos übrigblieben, desto besser. Der Gespaltenste gewinnt!
Gleichzeitig aber war es wieder jene Schizophrenie, die Vetreterlnnen der alternativen KI an ihre Grenzen kommen ließ. Obwohl sie schizophrenes Verhalten ausdrücklich nicht als Schicksalsschlag betrachteten, waren sie doch einigermaßen frustriert darüber, wie sehr es sie bei der Konstruktion eines umfassend handlungsfähigen Subjekts behinderte. Für alternative KI ist das Handlungssubjekt die Summe seiner Verhaltensmuster. Die Zusammenführung und Integration unterschiedlicher Handlungsmuster hat sich freilich als ähnlicher Stolperstein entpuppt wie die Integration der Problemlösungsverfahren in der klassischen Kl. Alternative KI-Forscher standen vor der ungelösten Frage, wie sie mehrere (d.h. mehr als ein Dutzend) verhaltensgenerierende Module so kombinieren können, daß daraus kreative, kooperierende Handlungsträger wurden. Obgleich beide völlig unterschiedlichen Denkschulen entstammen, konnten weder die klassische noch die alternative KI ihren Akteur vor Schizophrenie schützen. Woran liegt es also, daß zwei grundverschiedene Ansätze der Konstruktion von Subjektivität am selben Problem scheitern?
Fabrizierte Schlzophrenie
Die recht gravierenden Unterschiede beider Ansätze scheinen für das je konstruierte Subjekt zunächst sehr unterschiedliche Möglichkeiten bereitzuhalten. Trotzdem treffen sich beide Subjekt-Typen in der Art ihres Zusammenbruchs. Haben die beiden, auf den ersten Blick so völlig entgegengesetzten und durch radikal unterschiedliche Stoßrichtungen motivierten Praktiken der Subjektkonstruktion in Wahrheit mehr gemeinsam, als man glaubt?
Die Schizophrenie des künstlichen Subjekts scheint mir der Schlüssel zur Diagnose des Problems zu sein. Weit entfernt davon, ihr eigener Ursprung zu sein, sind den künstlichen Akteuren die Defekte und Mängel ihres physikali-
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Fabrikatii)n der Subjekte
sehen wie kulturellen und wissenschaftlichen standen sind, eingebaut. Der Zusammenbruch die Schwachpunkte seines Konstruktionskonte che Subjekt, sondern die ganze wissenschaftlic und in der sich klassische und alternative KI i den, ist schizophren.
Die klassische KI begreift den Akteur als Handelnden, ihre Subjekte werden durch Zerl wickelt. Es wird davon ausgegangen, daß das stimmten Menge von Modulen besteht, die den hirn mehr oder weniger entsprechen. Die Fors Problemlösungsverfahren zu knacken, und ers hen, fürs Sprechen und Verstehen von n Schlußverfahren, Verhattensplanung, fürs Lern am Ende alle Teile mühelos wieder zusammen der ganze, alle Probleme lösende Akteur steht Hoffnungen vergeblich, und das Problem der dule, da nicht selbstevident, wird in der klassi Schizophrenie erscheint somit als Unmöglichk ten nahtlos in ein großes Ganzes zu integrier basieren häufig auf widersprüchlichen Annah men, und so erzeugt der kleine Sinn meist gro Die alternativen KI-Forscher fassen das kü tenstheoretisch, und ihre Methode ist es, Ver gen. Statt den Akteur in Module für die je ge aufzuteilen, wird er anhand der Verhaltensmus duliert. Ein Handlungssubjekt wird hier typis riert, die ein beobachtbares Handlungsmuster Schlafen, Kämpfen. Alternativistlnnen hoffen die klassische KI hervorgebracht hat, dadurch Anfang an bestimmte Verhaltensmuster kenn auch hier beginnt das Problem in dem Momen schiedlichen Interaktionsmuster zu einem ei sammenzufügen. Entweder weiß der Akteur wann er es tun soll, oder er hat keine Ahnung Verhaltensweisen aufeinander abstimmen o schläft er, statt zu kämpfen, oder versucht, be ist das künstliche Handlungssubjekt nicht
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