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Rübezahl und das Upgrade der Unsterblichkeit
Es trug sich zu, dass ein gelehrter Systemarchitekt, ein Hohepriester der Goebbels-Matrix, die Pfade des Riesengebirges erklomm. Er trug einen Anzug aus synthetischer Faser und eine Brille, die ihm die Welt in Augmented Reality anzeigte. Überall sah er nur Datenpunkte: Baum (Fichte, 84% gesund), Gestein (Granit, statisch stabil).
An einer Wegbiegung traf er auf einen buckligen alten Kräutersammler, der mit einem krummen Stock im Dreck stocherte.
»Guter Mann«, rief der Architekt mitleidig. »Warum mühst du dich ab? Wir bauen gerade an der Cloud-Ewigkeit. Bald laden wir dein Bewusstsein hoch. Kein Schmerz mehr, kein Alter, kein Tod. Wir machen dich zum Faktor-Null-Algorithmus, perfekt optimiert!«
Der Alte, kein anderer als Rübezahl in Verkleidung, hielt inne und blinzelte. »Oh? Ein Leben ohne Ende in einer Kiste aus Glas? Klingt nach einem feinen Gefängnis. Aber sag mir, Herr Ingenieur: Habt ihr in eurer Matrix auch den echten Hunger?«
»Hunger?« lachte der Architekt. »Wir simulieren Sättigung! Ein Klick, und dein Gehirn glaubt, es hätte das beste Festmahl des Vaters verspeist.«
Rübezahl schmunzelte. »Nun gut. Wenn deine Matrix so mächtig ist, dann zeig mir das Wunder der Vermehrung. Hier hast du eine Handvoll magischer Rüben. Wenn du sie bis zum Sonnenuntergang nach deinen Gesetzen upgradest, sodass sie niemals verfaulen und unendlich viele werden, schenke ich dir den Berg.«
Der Architekt setzte sich eifrig ans Werk. Er scannte die Rüben, schrieb Code-Zeilen in die Luft, erstellte digitale Klone und vernetzte sie in einer Blockchain. Bis zum Abend leuchteten auf seinem Schirm Millionen von perfekten, goldenen Rüben.
»Fertig!« rief er stolz. »Sieh her! Unsterbliche Rüben. Sie brauchen keine Erde, kein Wasser und keinen Segen mehr. Sie existieren rein im LOGOS meines Systems!«
Rübezahl trat herzu, nahm eine der echten, erdigen Rüben und biss herzhaft hinein. Dann schaute er auf den flimmernden Bildschirm des Mannes.
»Ein prächtiges Bild«, sagte der Berggeist. »Aber nun habe ich Hunger bekommen. Gib mir eine von deinen unsterblichen Rüben zu essen.«
Der Architekt stammelte: »Aber... das geht nicht. Man kann sie nicht essen. Sie sind... Information. Sie sind die Idee einer Rübe, befreit von der Last der Materie!«
Rübezahl lachte so laut, dass eine Lawine vom Hang donnerte. Mit einem Fingerschnippen verwandelte er den glänzenden Rechner des Mannes in eine echte, stinkende Mistgabel.
»Siehst du«, sprach Rübezahl, während er langsam wieder zur Riesengestalt anwuchs, »das ist das Problem mit eurer Matrix: Ihr habt die Unsterblichkeit erfunden, aber das Leben dabei vergessen. Ihr wollt Gott spielen, aber ihr könnt nicht einmal eine Rübe erschaffen, die einen Magen sättigt. Ihr seid wie Leute, die die Speisekarte fressen, weil sie den Braten nicht finden.«
Der Architekt stand allein im Matsch, die Mistgabel in der Hand. Die Matrix-Brille war weg. Zum ersten Mal seit Jahren sah er den Himmel, nicht als Grafik, sondern als das unendliche Blau des Vaters. Er spürte den kalten Wind und den Hunger in seinem Bauch. Er war endlich wieder echt.
Möchtest du, dass wir tiefer in die Symbolik der »Mistgabel« eintauchen, als Werkzeug, um den digitalen Unrat aus dem eigenen Geist zu entfernen ?
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