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Yadgar schrieb am 13.11. 2007 um 15:20:21 Uhr über

Öko

Ökos (auch: Öko-Freaks) waren Anfang der 80er Jahre üblicherweise blond, langhaarig und zottelbärtig. Sie trugen Norwegerpullover, Nickelbrillen und häufig Jeans-Latzhosen, mitunter auch strapazierfähige leicht speckige schlammbraune Motorradlederhosen (obwohl man ja eigentlich Vegetarier war...). Was ein echter Öko war, den sah man nie ohne sein dunkelgrün oder braun lackiertes Hollandrad, nur echt mit dem weißen »Schwänzchen« am hinteren Schutzblech. Überhaupt waren Ökos vorzugsweise mit dem Fahrrad unterwegs - das war zu einer Zeit, noch bevor mit dem Aufkommen der Mountainbikes Fahrräder zu coolen hippen Trendsportgeräten hochgejazzt wurden.

Weitere unentbehrlichen Öko-Accessoires waren die handgewebten quadratischen Wolltaschen mit Fransen und entweder indianischen oder orientalischen Mustern (»Afghantüten«) und natürlich die Jute-statt-Plastik-Einkaufstüte aus dem Bioladen. Wenn der Öko Raucher war (erschreckend viele waren es!), dann bröselte er sich natürlich holländischen Halfzware (mit gewissen bewusstseinserweiternden Zusatzstoffen) rein, das war zwar auch nicht wirklich gesund, stank aber zumindest nicht so widerwärtig wie die Proll-Lullen von Philip Morris.

Musikalisch neigte der Öko naturgemäß eher zu handgemachter Musik, die ohne Strom aus der Steckdose auskam, Maß aller Dinge war hier natürlich die Gitarre, zumal man die anders als etwa ein Klavier auch zu allen angesagten Öko-Veranstaltungen mitnehmen konnte - was wären die Friedens- und Anti-Atom-Demos jener Jahre gewesen ohne das allgegenwärtige We-Shall-Overcome-Geschrumme nach der Peter-Bursch-Methode?

Öko an der Hammondorgel, das passte schon deswegen weniger, weil eine der zentralen Öko-Devisen lautete »small is beautiful«, was man von von einem 250 kg schweren Monstrum, für dessen Transport man ein Team von Möbelpackern braucht, natürlich nicht mehr sagen kann. Andererseits lässt sich so eine Hammondorgel mit etwas Kenne auch selbst reparieren und instandhalten, was dem Bastel- und Frickeltalent des klassischen Ökos wieder entgegenkommt - nicht umsonst war der Citroen 2CVEnte«) mit seiner Primitiv-Technik das mit Abstand beliebteste Auto bei jenen Ökos, die ungeachtet ihres schlechten Gewissens meinen, nicht auf einen motorisierten Untersatz verzichten zu können...

Kommen wir zum heiklen Thema »Reisen«. Die beliebte Überland-nach-Indien-Düse im psychedelisch bunt bemalten VW-Bus war 1980/81 schon nicht mehr drin, da waren Babrak Karmal und sein ins Land gerufenes »begrenztes Kontingent« der Sowjetarmee vor. Folglich verlegte sich der Öko-Freak auf näher gelegene Hippie-Destinationen, Kiffen auf Kreta (one more Paleochora day!) und Töpfern in der Toskana kamen schwer in Mode, und zumindest die jüngeren Ökos, die noch das InterRail-Ticket nutzen konnten, brachten dabei ihr CO2-Konto nicht allzusehr in die Bredouille.

Ich muss etwa 11 Jahre alt gewesen sein, als mir eine vier Jahre ältere Kusine zweiten Grades erstmals von den Öko-Freaks an ihrem Gymnasium erzählte... als dann etwas später meine Hormone erwachten und alle Nachrichtensendungen im Fernsehen voll waren mit langmähnigen Alternativlingen, war ich einfach nur hingerissen: so wollte ich auch irgendwann einmal sein!

Ein Vierteljahrhundert später ist »öko« zwar dank Treibhauseffekt und PeakOil in aller Munde, richtige Ökofreaks wie in den 80ern sieht man jedoch nirgends mehr... oder vielleicht doch? Immerhin habe ich bis auf den heutigen Tag weder Führerschein noch Auto, lege die meisten Strecken mit dem Fahrrad zurück und entspreche auch äußerlich ziemlich dem Alternativ-Klischee... und mein Herzkönig erst!


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