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Ödipus-Komplex  (psychoanalyt.) Komplex, der infolge fehlender od. unvollständiger Lösung der Bindung
 des Sohnes an die Mutter entsteht; ( Poluda-Korte  Forum Psychoanal (1999) 15:101–119) Der frühe
 Ödipuskomplex Melanie Klein (Klein M (1928) Frühstadien des Ödipuskonfliktes. Int Z Psychoanal 14:1)
 datiert den frühen Ödipuskomplex schon mit 6 Monaten (übrigens der Zeitpunkt, zu dem Freud die
 Wende zum Oralsadismus vermutete), während Margret Mahler (1968 On human symbiosis and the
 vissitudes of individuation. Int Univ Press,New York ) meint, der Geschlechtsunterschied werde dem
 Kleinkind erst 1 Jahr später, also mit 18 Monaten bewußt.Im Verlauf eines Prozesses, in dem das Kind
 selber laufen, selber essen und selber den Topf zu benutzen lernt und ein eigenständiges Körperschema
 mit der Repräsentanz eines eigenen Geschlechtsorgans entwickelt, realisiert es, daß DAS Liebespaar
 nicht länger Mutter und Kind heißt, sondern sich als Mutter und Vater herausstellt. Empirische
 Untersuchungen haben übrigens erwiesen, daß das Zugehörigkeitsgefühl zu einem von zwei
 Geschlechtern bereits gegen Ende des ersten Lebensjahres so geprägt ist, daß es ab da irreversibel
 festliegt. Es ist dies der Moment, den die griechische Mythologie als den Ursprung des geschlechtlichen
 Eros darstellt: die Spaltung des selbstgenügsam-zweieinheitlichen Kugelmenschen bzw. der
 Mutter-Kind-Symbiose. Das Kind begreift sich als getrenntes Lebewesen, es hat das Paradies verloren,
 in dem es eine grandiose, aber selbstlose Mutter als Teil des eigenen Selbst zu regieren glaubte, ein
 Liebespaar, wie es das Emblem unserer Kultur veranschaulicht: die Madonna mit dem Kind auf dem Arm,
 das die Insignien der Herrschaft in Händen hält. Indem das Kind sich nun als ausgeschlossen und die
 Eltern als Paar wahrnimmt, gewinnt es eine Ahnung von dem Geschlechtsunterschied und der Sexualität
 sowie der eigenen Zugehörigkeit zu einem Geschlecht und Nichtzugehörigkeit zu dem anderen, auf das
 es sich von nun an verwiesen sieht. Der frühe Ödipuskomplex ist also das Resultat eines
 Ablösungsprozesses, der anschließend schmerzlich als Verlorenheit realisiert wird; er bedeutet eine
 Umzentrierung der Wahrnehmung im Sinne eines individuierten Welterlebens, eine Realisierung des
 Generationenunterschieds und des Ausgeschlossenseins von der Paarung der Eltern, eine Ahnung von
 der Geschlechterdifferenz sowie der eigenen Zugehörigkeit. Der reife Ödipuskomplex Zunächst führt
 bei der Tochter jedoch die Konsolidierung ihrer Mutterbeziehung zu einer narzißtisch-modellierenden
 Spiegelbeziehung (Poluda-Korte 1993Der lesbische Komplex. In: Alves EM (Hrsg) Stumme Liebe.
 Kore,Freiburg) dahin, daß sie ihr Begehren immer eindeutiger dem Vater zuwendet, der ihr nicht nur das
 kompensatorische Kind schenken soll, sondern von dessen Genitale sie nun phantasiert, die verlorene
 Befriedigung in neuer Weise in der Tiefe ihres psychisch repräsentierten und körperlich erlebten Genitales
 wiederzuerlangen.Dies Begehren spitzt sich im reifen Ödipuskomplex endlich so zu, daß die
 Identifizierung mit der Mutter in ein mörderisches Ersetzenwollen ihrer Person mündet, um den Vater
 exklusiv genießen zu können. Anders als Freud, der beim Mädchen (mangels Kastrationsdrohung) keine
 Lösung des Ödipuskomplexes, sondern ein „Landen im ödipalen Hafen" konstatierte, glaubt   Frau Korte,
 daß auch der Ödipuskomplex des Mädchens untergeht, indem es den Anspruch der Mutter akzeptiert.
 Die notwendige ödipale Enttäuschung wirkt sich schließlich auch beim Mädchen in einer partiellen
 Identifizierung mit dem Vater als dem aufgegebenen Liebesobjekt und zunehmender Über-Ich-Reifung
 aus. Die Enttäuschung im reifen Ödipuskomplex scheint jedoch beim Jungen in weit schmerzlicherer
 Weise zu verlaufen als beim Mädchen, da es den Vater nie so intim besessen hat, wie einst die Mutter,
 während der Junge erst jetzt von der ganzen Härte des sexuellen Verzichts auf die Mutter betroffen ist.
 Dementsprechend fällt das reife Über-Ich des Jungens strenger aus als beim Mädchen, was Freud bereits
 konstatierte. In der autoerotischen Phase entwickelt der Junge parallel zum Mädchen ein großes, wenn
 auch ambivalentes Interesse für den Vater, mit dem er sich phallisch-narzißtisch identifiziert, mit dem er
 leidenschaftliche Kämpfe phantasiert, Superman-Größenträume und schließlich auch intensive erotische
 Szenarien, um sich seines männlichen Organs zu versichern und Distanz und Selbstbehauptung
 gegenüber der Mutter zu gewinnen, deren Bild er nun mehr und mehr durch die Augen des Vaters zu
 erneuern trachtet. Da sich die Beziehung zum idealisierten Vater weniger konkret als phantastisch
 entwickelt, bedeutet der Progreß zur ödipalen Konkurrenz schließlich eine phantasmatisch erhöhte
 Herausforderung, die den Jungen so in Nöte bringt, wie es von psychoanalytischer Seite oft beschrieben
 wurde. Der Untergang seines reifen Ödipuskomplexes wird deshalb so zu einem entscheidenden Ereignis
 in seiner Entwicklung, da er für den herben Verzicht auf die primär und genital, also doppelt begehrte
 Mutter eine loyale und liebevolle Beziehung zum großen Vater sichert, wobei er seine doppelte Wut ins
 entsprechend gestrenge Über-Ich bindet und sich wiederum partiell mit der Mutter identifiziert, indem er
 sich sexuell von ihr löst. 
 
 
 
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