Schmetterlingspostkarte
Bewertung: 1 Punkt(e)Zerfass war für das Jugendhilfewerk tätig. Längst war der Junge ihm aufgefallen. Er war ungewöhnlich aufgeweckt wenn es um das Geldverdienen ging. Außerdem erschien er absolut verschwiegen. Mit niemandem in der Klasse hat er jemals getratscht. Schulisch allerdings zeigte der Junge nur das gerade minimalst geforderte Interesse. Zerfass war ein junger sehr engagierter Assessor. Er hatte zwei sehr aufgeweckte sehr kleine Mädchen in der ersten Reihe sitzen die ihn anhimmelten und bei jeder einzelnen Frage sofort die Finger hoch in die Luft streckten. Die würde er engagieren den Jungen ein wenig zu beobachten. Zerfass wußte längst daß der Junge sich in der großen Pause vom Schulhof schlich und die umliegenden Straßen erkundigte. Besonders hatte es ihm Deko Berendt in der Moritzstraße angetan. Dort gab es Sachen das ganze Jahr über zu kaufen die sonst nur an Silvester verfügbar waren, außerdem eine Menge nicht ganz ungefährlicher Scherzartikel wenn man damit nicht sehr präzise umgehen konnte, allerdings durften unter Achtzehnjährige, damals sogar unter Einundzwanzigjährige dort nicht einkaufen. Der Junge hatte aber längst die Kinderfreundlichkeit der normalen erwachsenen Passanten der Stadt durch den Verkauf einer großen Anzahl von Schmetterlingspostkarten für das Jugendherbergswerk in den Bahnhofshallen morgens um halbacht bis kurz vor acht während mehrerer Wochen erkannt und fragte ganz unbefangen, sich vorher nach Gang und Blick ausgesucht habenden Daherkommenden, immer waren es Männer, junge Männer, also nicht sehr junge Männer, aber noch immer eigentlich junge Männer, von vielleicht dreissig, vierzig, ob, sie nicht kurz für mich in den Laden gehen könnten um mir dort jenes kleine Teil zu dreissig Pfenningen, es war eine Reihe roter aneinandergekettelter ganz kleiner Knaller, wohl siebzig STÜCK in einer Doppelreihe, die Verschwenderische Personen sozusagen hintereinander, also am Stück weg knallen ließen, rattarattarattapengpengpeng und alles war vorbei, während der Sparsame Junge solche einen Schatz über ein gesamtes wundervolles Jahr sich aufheben konnte, jeden kleinen einzelnen Knaller sorgfältig einzeln knallen ließ, nie mehr als zwei drei Knaller und drei vier Streichhölzer auf einmal mit sich führte, mit dieser Sache in der Hosentasche sich wie ein König fühlte, jederzeit bereit in einsamen Gassen ein loses Stück Putz von der Wand zu sprengen, so lief ich durch den Ort auf der Suche nach einsam gelegenen Sprengmöglichkeiten, nun denn Zerfasses zwei ins Vertrauen gezogene Mädchen hatten mich entfernt verfolgt und gesehen wie ich mit einem Mann vor einem Laden sprach, der dort hineinging, wieder rauskam und mir etwas aushändigte was ich in meine Hosentasche steckte. Das ham sie Zerfass gepetzt. Und Zerfass hat mich vor die Klasse zitiert und meine beiden Hosentaschen leeren lassen. Und heraus kamen unter anderem den rest weiß ich nicht, eine Reihe Roter Knaller und eine Schachtel Streichhölzer. Die beiden Mädchen saßen ganz vorne und haben groß ihre Münder aufgesperrt und ein oh oder a gemacht, die Sachen wurden konfisziert und ich bettelte den Lehrer an bitte nichts den Eltern zu erzählen, was er meiner Ansicht nach auch tat, denn seitdem habe ich nichts mehr darüber von irgend einer Seite gehört. Natürlich habe ich mir so schnell wie möglich eine erneute Reihe Knaller und Streichhölzer besorgt, aber seitdem hatte ich immer nur einen Bruchteil meines Gesamtschatzes in meinen Hosentaschen da man ja mit jederzeitigen Konfiskationen zu rechnen hatte.