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wugatsga schrieb am 15.5. 2003 um 23:53:05 Uhr über

gats


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16.05.2003



Sabine Tenta

Dienste ohne Grenzen









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GATS AUS FRAUENSICHTDer Proletarier ist tot, es
lebe die Hausfrau

Unfassbar, bezeichnend für eine kommerzialisierte Welt und doch
zugleich ein Hoffnungsschimmer war das, was Vandana Shiva
aus Indien berichtete. Ein ganzer Fluss, der Sheonath im
Bundesstaat Chhatisgarh, war privatisiert worden. »Der Investor
ließ Polizeikräfte mit Motorrädern auf der ganzen Länge des
Flusses patrouillieren. Sie hinderten sogar die Frauen daran,
Wasser aus ihren eigenen Brunnen zu entnehmen, da diese vom
Fluss gespeist werden, und bezichtigten sie des
Wasser-DiebstahlsUnd das, obwohl in Indien die Flüsse und
nicht die Gemeinden das Wasser für die Bevölkerung liefern.
»Die Menschen waschen dort ihre Wäsche, tränken ihr Vieh und
baden ihre Kinder darin«, so die Trägerin des Alternativen
Nobelpreises. Eine landesweite Aufklärungskampagne zeigte
jedoch Wirkung: »Vor zwei Wochen wurde die Privatisierung
rückgängig gemacht«, berichtete Shiva.

Dieser Erfolg war nur möglich, weil das seit 1995 bestehende
Allgemeine Handels-Abkommen über Dienstleistungen (GATS -
General Agreement on Trade in Services) in einer neuen,
verschärften Version noch nicht in Kraft ist. Dann nämlich, so
sehen es die Entwürfe vor, die bis 2004 in einen veränderten
Vertragstext münden sollen, wären einmal eingegangene
Privatisierungen nicht mehr rückgängig zu machen - auch nicht in
einer Notstandssituation oder bei einem Regierungswechsel.
Weltweit sind 80 Prozent der Beschäftigten des
Dienstleistungssektors weiblich, und die Privatisierung wird
deshalb nicht allein, aber doch primär Frauen betreffen. Auf
Einladung des Attac-Frauennetzes trafen sich deshalb am
vergangenen Wochenende in Köln 500 Referentinnen und
Teilnehmerinnen zum internationalen Kongress »Dienste ohne
Grenzen? GATS - Privatisierung und die Folgen für Frauen«.

Der wichtigste Arbeitgeber von Frauen ist die öffentliche Hand,
die in vielen Ländern zu Gleichstellungsmaßnahmen verpflichtet
ist. Gibt sie ihre Verantwortung an private Investoren ab, werden
Schutzrechte und Stellen abgebaut. Leidtragende sind in erster
Linie Frauen. Als Folge von Privatisierungen sind sie in der Regel
auch gezwungen, mehr unbezahlte Arbeit zu leisten, wenn zum
Beispiel kranke Familienmitglieder gepflegt werden müssen, die
zu früh aus dem Krankenhaus entlassen oder aus Kostengründen
gleich ambulant operiert werden. »Die billigsten der billigen
Arbeitskräfte sind die Hausfrauen. Das ist das künftige Modell
von Arbeit«, meinte die Kölner Soziologie-Professorin Maria
Mies, Hauptinitiatorin des Kongresses, und fügte ein Zitat der
Politikwissenschaftlerin Claudia von Werlhof hinzu: »Der
Proletarier ist tot, es lebe die Hausfrau

Die bisherigen Erfahrungen mit der Privatisierung öffentlicher
Daseinsfürsorge zeigen, dass sie meist mit einer Verteuerung
einhergehen, nicht selten gepaart mit einem Verlust an Qualität.
Seit der Privatisierung des Wassers in Großbritannien sind die
Preise um 50 Prozent gestiegen, Fälle von Hepatitis A um 200
Prozent und die Ruhr-Erkrankungen sogar um 600 Prozent.
Gesundheit und Bildung werden zum Luxusgut. Soziale
Standards, Umweltschutzbestimmungen und
Frauenfördergesetze könnten als »Handelshemmnisse« dem
GATS zum Opfer fallen.

Wie wird das GATS verhandelt? Die Bremer
Wirtschaftsprofessorin Susanne Schunter-Kleemann berichtete in
einem Workshop über die Entscheidungswege auf europäischer
Ebene. Für die EU-Staaten verhandelt die Kommission, und da
machen die Lobbyisten der Konzerne Druck. Sie können, da sie
den Status »anerkannter Gesprächspartner« haben, jederzeit bei
der Kommission vorsprechen. Dieses Recht haben noch nicht
einmal Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Für das
GATS engagieren sich der europäische Dachverband der
Arbeitgeberverbände UNICE und der Beraterkreis European
Round Table of Industrialists (ERT). Im ERT »ist alles vertreten,
was in Europa unter den Multis Rang und Namen hat«, so
Schunter-Kleemann, zum Beispiel die Vorstandsvorsitzenden von
Bayer, DaimlerChrysler, Siemens, Vivendi und BP. Bei einem
geplanten Gesetz oder Abkommen kontaktieren die Lobbyisten
zunächst den Beamten, der innerhalb der Kommission zuständig
ist. Nicht selten werden dem Beamten sogar ausformulierte
Vertragstexte oder Gesetzentwürfe vorgelegt. Dass sie in der
Vergangenheit zum Teil wortwörtlich von der Kommission
übernommen wurden, haben Forscher aus den Niederlanden
mittlerweile bewiesen.

»Widerstand ist die Quelle des WissensDiese Parole gab
Maria Mies aus, denn die GATS-Verhandlungen, die bisher hinter
verschlossenen Türen stattfinden, können nur durch massiven
Protest zu einer öffentlichen Angelegenheit werden. »Es ist oft ein
Fehler, wenn man denkt, wir müssen gleich zur Regierung oder zu
den Multis und die überzeugen«, sagte die Schwedin Helena
Norberg-Hodge, gleichfalls Trägerin des Alternativen
Nobelpreises, und schlug statt dessen vor, dass jede
Kongress-Teilnehmerin zehn Menschen über GATS aufklärt, die
wiederum je zehn Menschen informieren. Und Vandana Shiva
mahnte, den Begriff der »Dienstleistung« nicht kritiklos zu
übernehmen: »Zu dienen heißt, mit Liebe einem anderen etwas
zu geben. Privatisierung meint das Gegenteil: etwas mit Gewalt
von anderen zu nehmen

Weitere Informationen unter: www.attac.de/frauennetz


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