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Diethelm Krause schrieb am 11.10. 2003 um 15:51:14 Uhr über

Blumenverkäufer

Der Blumenverkäufer und sein Kunde hören, wie von innen zweimal ein Schlüssel im Schloss der Tür gedreht wird. Als sich die Tür einen Spalt weit öffnet, schaut ein kleiner Mann mit grauen gescheitelten Haaren aus dem Dunkel der Diele hinaus und mustert den Blumenverkäufer, auf den sein Blick zuerst fällt. »Ja, bitte?«, fragt er ihn ernst und blinzelt nervös mit den Augen, während er die Antwort abwartet. Der Blumenverkäufer sieht zum Kunden hinüber, zieht die Schultern hoch und macht mit den Händen eine hilfesuchende Geste. Nachdem der Kunde einen Schritt zur Seite gemacht und sich noch weiter gestreckt hat, um einen Blick in den Türspalt zu werfen, sagt er: »Ich bin der ProkuristDer Mann hinter der Tür hat sich anscheinend etwas erschrocken, als der Kunde plötzlich auftauchte, den er bisher nicht wahrgenommen hatte, und zieht den Kopf ein Stück vom Türspalt zurück. Als sein Gesicht wieder auftaucht, fragt er: »Kommen Sie wegen des Geburtstags?« »Ja, natürlich! Wie gesagt, ich bin der Prokurist«, entgegnet der Kunde, nun etwas ungehalten über die Mühseligkeiten mit jenem Mann. Als dieser der Flasche Schnaps in den Händen des Kunden gewahr wird, scheint er endlich vollständig von dessen Glaubwürdigkeit überzeugt zu sein, öffnet die Tür nun ganz und macht mit einem offensichtlich neben der Tür befindlichen Schalter Licht im Eingangsbereich der Diele. Der aufmerksam prüfende Blick des Mannes und die plötzliche Beleuchtung haben den Kunden an sein fragwürdiges Geschenk für seinen Chef erinnert; schnell verschränkt er seine Arme mit der Flasche Schnaps in den Händen hinter seinem Rücken. Im Licht sieht der Blumenverkäufer nun, daß der kleine Mann eine schwarze Anzugjacke und eine Krawatte trägt. Seine dunkelgraue Korthose ist über den schwarzen Schuhen etwas zu weit und schlackert mit jedem Schritt ausladend hin und her. Als der Blumenverkäufer einen Kragen der Anzugjacke bemerkt, der unvorteilhaft geknickt ist, wirft er wieder einen ratlosen und verunsicherten Blick auf seinen Kunden. »Und wer sind Sie?«, fragt der Kunde den Mann in der Diele. Über das Gesicht des Blumenverkäufers läuft ein Ausdruck des Staunens, dann der Erleichterung und anschließend der Strenge, mit der er schließlich, ebenso wie der Kunde, den Mann fixiert. »Ich bin der Hausdiener«, antwortet der Mann kleinlaut, als fühle er sich bei einem Verbrechen ertappt. »Ah«, ruft der Kunde langgezogen und plötzlich ganz gelöst, indem sich seine steinerne Miene in einem Lächeln auflockert. »Bitte warten Sie einen winzigen Augenblick«, sagt der Hausdiener und verschwindet im hinteren Bereich der Diele, die immer noch im Dunkeln liegt. Der Kunde schaut den Blumenverkäufer an und zieht die Augenbrauen hoch. »Sehen Sie! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß es ganz unmöglich ist, vom Zustand des Gebäudes auf die beschädigte Würde und eine niedere Lebensart meines Chefs zu schließen«, flüstert er ihm voller Genugtuung zu und fährt fort: »Immer müssen Sie zuviel denken und wissen doch gar nichts richtigDer Blumenverkäufer ist ohne Worte und starrt immer noch verblüfft in die Diele, in welcher der Hausdiener verschwunden ist. Der Kunde kann gerade noch hinzufügen: »Ein Hausdiener! Das sagt doch alles!«, als dieser wieder mit einer Fußmatte in der Hand auftaucht und sie vor der Tür ausbreitet. »Kommen Sie bitte herein«, fordert der Hausdiener den Blumenverkäufer und den Kunden auf, die bisher immer noch vor der Haustür gestanden hatten. Zur Rechten führt eine gewundene mit einem hellbraunen Teppich überzogene Holztreppe hinauf, an deren oberem Ende eine schwache Flurbeleuchtung zu sehen ist. Als sie eintreten, erkennen sie am anderen Ende der Diele eine geschlossene Tür, durch deren untere Ritze ein heller Lichtstreifen schimmert. Gelegentlich sind leise Stimmen zu hören, ohne daß einzelne Worte zu verstehen gewesen wären. Als der Blumenverkäufer und der Kunde in der Diele stehen, geht der Hausdiener eilig an ihnen vorbei, tritt auf die Türschwelle und beugt sich vor. Nachdem er einmal nach links und nach rechts geblickt hat, zieht er sich schnell wieder zurück, schließt die Tür und dreht den von innen steckenden Schlüssel zweimal herum.


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